Fels in der Brandung – Mich zwingt keiner auf die Knie

Was ist ein Fels in der Brandung? Das ist jemand, der allen Widrigkeiten trotzt. Und es sind Menschen, die auch mal gegen den Strom schwimmen. Mir haben solche Menschen immer imponiert. Und ich dachte, dass ich mir daran ein Beispiel nehmen sollte. Aber ist das eigentlich notwendig? Ich denke nicht. Das mag jetzt lobhudelnd daher kommen. Aber ich muss mal folgendes aufschreiben.

Der Fels in der Brandung

Als Fels in der Brandung werden Menschen bezeichnet, die so schnell nichts umhauen dürfte. In der Brandung kann die Gischt schon sehr hoch sein, wenn die See stürmisch ist. Der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel sagte dazu vor Urzeiten, dass man wie ein Fels sein soll, an dem sich beständig die Wellen brechen.

Haben Sie sich mal Felsen angeschaut? Die haben schroffe, scharfe Kanten. Man mag sich da nicht drauf legen. Ein Fels in der Brandung ist also unbequem. Niemand muss anderen nach dem Mund reden, ein Speichellecker sein, sich zum Gefallen anderer verbiegen. Und niemand muss seine Situation akzeptieren.

Ja, ich weiß, das klingt alles nach diesen ganzen Tschakka-Sachen. Ich denke allerdings, dass man durchaus mal erzählen kann, was man über sich denkt, wieso man denkt, zum Fels in der Brandung geworden zu sein. Ohne viel Theater. Ich will auch keinen Applaus dafür. Aber ich weiß, dass sich andere Menschen weniger durchsetzen können. Ich denke das auch von mir, aber das ist gar nicht gerechtfertigt.

Wenn sich das Land ändert

Ich ging bis zum Sommer 1990 in die Polytechnische Oberschule in der DDR. 1989 war ja die „Friedliche Revolution“. Als ich mit meiner lange geplanten Lehre zum Industriemechaniker anfangen wollte, begann die nicht mehr im „Chemischen Kombinat Otto Grotewohl“ in Böhlen, sondern in den „Sächsischen Olefinwerken Böhlen AG“.

Als ich aus der Schule entlassen wurde, waren 2 Monate Sommerferien, in denen niemand wusste, wie es weitergehen würde. Und dann begann meine Lehre. Wenn man sich das Berufsbild so durchliest, wird man neidisch. Denn nach einer Art Grundausbildung wurden wir damals maßgeblich dafür verheizt, das Altwerk in Böhlen mit dem Schneidbrenner auseinander zu nehmen.

Neben der Ruine des Altwerks stand ein neues Werk. Aber mit dem hatten wir nicht viel zu tun. Es war irgendwie klar, dass wir mit so einer Ausbildung keine Chance hatten. Ich hatte Glück, da ich noch eine Weile in einer kleinen Stahlbau-Firma arbeiten konnte. Und dann kam die Bundeswehr. Danach fand jahrelang nur Zeitarbeit statt.

Hätte ich mich hier hängen lassen sollen? Es war hier alles dabei: Schlosser, Bauhelfer, Müllsortierer, Gepäckträger, was Sie sich vorstellen können. Ich habe das halt gemacht, bis es nicht mehr ging. Dazwischen gab es aber einen heftigen Rückschlag.

Zeitschriften-Abos wollen verkauft werden

1996 zog ich das erste Mal mit einer Frau zusammen. Wir waren jung und unerfahren. Und durch die blöde Situation als Zeitarbeiter und Ihr Schicksal, dass sie ihre Ausbildung verloren hatte, mussten wir uns umschauen. Wir gerieten an einen Kurierdienst. Der entpuppte sich dann aber als miese Drücker-Kolonne. Da kommt man nicht mehr raus? Doch, ich schon.

Wir wurden getrennt. Ich lag Nacht für Nacht wach und grübelte, wie ich da raus komme. Letztlich hatte ich es geschafft, meine damalige Freundin trennte sich von mir und blieb dort. Ich ließ mich treiben, baute einen blöden Unfall und kam zur Besinnung. Nein, diese Verbrecher von Drückern, deren Zeitschriften-Abos verkauft werden wollen, brechen mich nicht.

Und so arbeitete ich mich wieder raus. Ich ging wieder in die Zeitarbeit und machte mein Ding. Allerdings dann nur noch ein paar Jahre. Denn dann gab es den nächsten Rückschlag. Und der war am Ende noch heftiger, weil der meine gesamte Lebensplanung über den Haufen warf.

Ein sporadisch wiederkehrendes #UhleKaputt

Bei der Bundeswehr trat es erstmals auf: Blöde Schmerzen an den Außenseiten der Knie. Röntgen zeigte nichts, CT und MRT auch nichts. Also verpasste man mir eine Kniespiegelung. Danach erzählte man mir, was alles im Knie kaputt sei und das man nichts machen könne. Man schickte mich ins Büro in meiner Kompanie und war fertig.

Die Jahre nach dem Bund hatte ich komischerweise Ruhe. Auch bei den Drückern war „es“ nur sporadisch. Und dann begann es wieder. 2001 muss das gewesen sein. Da Untersuchungen und Therapien nichts brachten, sagte mir mein damaliger Hausarzt, der Sportarzt und Durchgangsarzt war: „Mein Junge, da wirst du einen neuen Job anfangen müssen.“

Er stellte mir ein Attest aus, mit dem ich auf dem Arbeitsamt vorstellig wurde. Es dauerte allerdings mehrere Jahre, bis ich da irgendeine neue Perspektive erhielt. Hätte ich mich hier hängenlassen sollen? Ich habe oft genug an mir gezweifelt. Und nach der Androhung von Konsequenzen erhielt ich plötzlich eine Umschulung.

Beruflicher Neuanfang

Ich erlernte mit IHK-Abschluss den „Fachinformatiker Systemintegration“. Allerdings muss man das Berufsbild zum FISI, wie die Abkürzung zum Beruf heißt, mit Fantasie ausschmücken. Ich bin monatelang so gar nicht klar gekommen. Ich musste mich sehr hart in diese Thematik einarbeiten.

Mit den Jahren – ich begann dann im Januar 2006 mit der Arbeit in dem Beruf – wurde mir immer mehr bewusst, dass ich eigentlich nichts anderes machen wollte. Aber auch hier muss ich mich immer wieder durchboxen. Gerade bei einem zerklüfteten Lebenslauf wie bei mir wird man gern mal argwöhnisch beäugt.

Und mittlerweile ist es so, dass ich mir meinen Beruf neu erfinden muss, weil die klassischen Rechenzentren allmählich in den Hintergrund treten. Aber auch hier die Frage: Soll ich mich da hängenlassen? Also gilt es, sich mit anderen Themengebieten in dem Beruf auseinander zu setzen. Und das bedarf Zeit.

Weiter, immer weiter

Oliver Kahn prägte im Giuseppe-Meazza-Stadion in Mailand das „Weiter, immer weiter“. Vielmehr krächzte er „Niemals aufgeben! Immer weitermachen! Immer weiter! Immer weiter!“, wie der FC Bayern anekdotenhaft zu erzählen weiß. Kahn war als Torhüter immer so etwas wie ein Fels in der Brandung.

Man hat ja auch keine Wahl. Ich konnte mich doch nicht aufgeben. Als mir die Drücker Angst machten, als mir die Gesundheit einen Strich durch meine Lebensplanung machte, als ich mich privat neu erfinden musste. Irgendwie muss man dann ja doch aufrecht bleiben. Und irgendwie muss es weitergehen.

So war das auch bei der legendären DDR-Band Karat. Auch sie mussten immer zusehen, wo sie bleiben, dass es für die Band weitergeht. Die DDR kannte da wenig Spielraum. Auch als Sänger Herbert Dreilich einen Schlaganfall erlitt und Jahre später starb. Auch als seine Witwe die Verwendung des Bandnamens untersagte. Es musste weitergehen.

Die Band ließ sich nie auf die Knie zwingen. Und sie sind immernoch da. Mittlerweile trällert Sohn Claudius, statt Mastermind Ed Swillms klimpert nun Martin Becker, nach der Republikflucht ist nicht mehr Henning Protzmann der Bassist, sondern Christian Liebig. Aber sie sind noch da. Und folgendes ist ihre Hymne.

Mich zwingt keiner auf die Knie

1984 erschien die Schallplatte „Die sieben Wunder der Welt“. Auf diesem befindet sich das unscheinbar daher kommende „Mich zwingt keiner auf die Knie“. Herbert Dreilich erzählt hier davon, wie er zum Fels in der Brandung wurde. Den Text kann man hier nachlesen.

Am Ende ist es so, dass man immer nach vorn schauen muss. Und das ohne irgendein Tschakka-Geschwafel und ohne erhobenen Zeigefinger. Ich habe seit einigen Jahren einen Job, der mir Spaß macht, schreibe seit 10 Jahren diesen Blog voll und habe seit ein paar Jahren wieder ein gutes Privatleben. Was will man denn mehr?

Der Fels in der Brandung sagt immer, dass ihn niemand klein kriegen wird. Und das muss sich der Mensch auch immer wieder sagen. Ich versuche, davon auch immer wieder etwas in meine Blog-Artikel einfließen zu lassen. Ich sehe mich nicht als Fels in der Brandung. Mein Lebenslauf war halt nicht geradlinig und vorhersehbar.

Allerdings weiß ich, dass es gar nicht so einfach ist, gegen alle Widrigkeiten weiter zu machen. Macht das aus mir einen Fels in der Brandung? Ich weiß es nicht. Jedenfalls ist „Mich zwingt keiner auf die Knie“ von Karat irgendwie ein Stück Soundtrack in meinem Leben. Und das klingt so:

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