Funktionieren? Niemand ist eine Maschine

Augen zu und durch! Ich muss immer weiter funktionieren. Echt jetzt? Einen alten Scheiß muss ich. Außer auf mich und mein Leben zu achten, muss ich gar nichts. Manchmal ist es so, dass einem das Leben so richtig aufzeigt, wer der Chef im Ring ist. Das sind nämlich nicht wir kleinen Wichte, sondern das, was uns überhaupt erst leben lässt. Ich mache das nicht mehr mit. Das kann ich mir einfach nicht weiter antun. Wer hier schon länger mitliest, ahnt vielleicht schon länger was. Aber lasst mich mal ausreden.

Alter, du musst nicht immer funktionieren!

Schon länger denke ich mir, dass irgendwas nicht stimmt. Und das hat sich bestätigt. Wegen einer völlig anderen Sache war ich vor einer Weile bei meiner Hausärztin. Die hat wegen der anderen Sache nichts unternehmen können. Aber die meinte so zu mir, dass sie mich nicht mehr von der Fahne lässt ohne die Abgabe von Körperflüssigkeiten. Nun denn, einmal Labor bitte! Nun erhielt ich vor einigen Tagen für alles die Quittung: Bluthochdruck, hohe Blutzuckerwerte, und wenn ich so weitermache, gibt es einen Infarkt.

Keine Frage, der alte Sack, der hier schreibt, ist fett wie ein Eisbein. Ich habe schon lange Übergewicht. Sicher spielt das eine Rolle bei den Werten. Aber es ist eben auch der Stress, dem wir alle ausgesetzt sind: Corona, Klima, Russland, Energiepreise, Inflation und so weiter und so fort. Bei mir hat sich so eine bescheuerte latente innere Unruhe breit gemacht. Laut 24-Stunden-Blutdruck-Messung schalte ich wohl nicht mal in der Nacht richtig ab. Leute, das macht einem schon Angst.

Und so kam es, dass ich mir gesagt habe: Alter, du muss nicht immer funktionieren. Ich habe immer versucht, alles zu erledigen, für jeden da zu sein, jeden Scheiß habe ich mir auf den Tisch gezogen. Nein, das fällt aus. Ich war mal so weit, den Sauhund abgelegt zu haben. Scheiße war’s. Durch all die Einflüsse auf mein Leben und viel zu ungesundes Essverhalten (Es sind ja nicht mal die Mahlzeiten an sich) habe ich mir einen ausgewachsenen und stressbedingten Diabetes angelacht.

Klar, man kann sich gesund ernähren. Das machen wir auch zu einem großen Teil. Aber man muss auch am Lebensstil etwas ändern. Dass ich mir eingeredet habe, immer funktionieren zu müssen, ist ein ganz entscheidender Punkt. Ich habe Ende letzten Jahres nicht mal ausreichend Zeit für die Trauer haben können. Das spielt alles eine Rolle. Glaubt es mir ruhig. Oder wenn nicht mir, dann vielleicht eurem Hausarzt.

Die Mensch-Maschine gibt es nicht.

„Wir sind die Roboter“ krächzt eine Vocoder-Stimme vor sich hin. „Sie ist ein Model, und sie sieht gut aus“ jammert Ralf Hütter. Sowas hört ihr auf dem Album „Die Mensch-Maschine“ von Kraftwerk. Aber nein, so eine Mensch-Maschine gibt es nicht. Wir sind nicht alle ferngesteuert, auch wenn das die Blitzbirnen von den „Querdenkern“ gern so behaupten. Menschen haben Emotionen, Vorlieben, was auch immer… Genügend Dinge, die nicht rational sind.

Und die können wir nicht effizient in irgendwelche Muster pressen, gleichmachen, reduzieren. Menschen können nicht zu Isotypen werden. Und genau deshalb kann für euch etwas ganz anderes gelten als für mich. Ich dachte, ich hätte das desaströse 2021 überwunden. Aber dieses beschissene Jahr hat eine derart tiefe Narbe hinterlassen, dass die wohl noch ewig zu sehen sein wird. Wer weiß, vielleicht juckt sie dann auch beim Wetterwechsel.

Jedenfalls habe ich aufgehört zu funktionieren. Ich muss niemandem etwas beweisen. Ich weiß, dass ich gut bin in dem, was ich mache. Und so geht meine Gesundheit vor. Schließlich will ich noch viele Jahre mit meiner wundervollen Frau verbringen und das Leben, was wir uns ausgesucht haben, genießen. Da passt es nicht hinein, einfach nur zu funktionieren. Ich habe immer gedacht, dass ich gut mit Stress umgehen kann. Das hat sich für die vergangenen 24 Monate als Lüge herausgestellt.

Wie kommt man denn da raus?

Wenn du so eine Diagnose bekommst, stellst du alles infrage. Ich weiß doch selbst, dass ich jahrelang ungesund gelebt habe. Wie gesagt, es ist dabei nicht mal unbedingt das Essen. Die Bewegung fehlt, die ich mir zurückhole. Der Stress aufgrund unbeherrschbarer Faktoren ist zu hoch. Und deshalb muss ich klare Kante machen. Nein, ich schmeiße nicht hin. Dafür mache ich das, was ich mache, viel zu gern.

Aber ich habe mir ein wenig autogenes Training zugelegt. Wenn ich weiß, ob das wirklich was für mich ist, erzähle ich euch davon. Das gehört zur Stressvermeidung dazu wie das Ignorieren von zu viel Nachrichten und Social Media Hetze. Dazu kommt leichte Ernährung mit Gedöns, was wir gern verputzen. Und Bewegung. Meine 3 Kilometer reiße ich morgens schon mal ab. Und ich lasse nicht mehr alles so an mich heran.

Glaubt es mir oder lasst es bleiben. Aber selbst nach ein paar Tagen merke ich, dass das gar keine so blöde Idee ist. Ich verliere Gewicht, bin etwas gelassener und all sowas. Vielleicht kommt irgendwann auch die innere Ruhe zurück. Und vielleicht hilft das Alles dabei, dass die Werte insgesamt besser werden. Alter, so etwas ist ein Schock, das willst du nicht häufig erleben. Ob ich aus der Situation herauskomme, weiß ich nicht. Aber ich werde einfach nicht mehr drauflos funktionieren.

8 Replies to “Funktionieren? Niemand ist eine Maschine”

  1. Hallo Henning! Wir kennen uns ja nun auch schon ein paar Tage. Wir bauen auch mal wieder den Kontakt richtig auf. Mir ging es ähnlich. Hatte in meiner Firma die Auftragsbücher nicht mehr zu bekommen und trotzdem noch Ja gesagt. Eben das Los des Selbstständigen. Nein, ist es nicht. Nachdem ich Aufträge abgelehnt hatte, konnten einige geduldig warten. Bei mir das gleiche. Hab aber die Kurve noch vor der Diabetes gekriegt. Der Wille abzunehmen, Bewegung (durch Asthma nicht immer leicht) und Umstellung der Ernährung. Habe meine Firma auf 20% ca. Runtergefahren und bin jetzt Angestellt. Ist zweifelsohne auch viel Stress aber ich könnte mal krank werden und muss nicht wie geschehen zB. von Norwegen aus (Kreuzfahrt) per Handy Sachen abklären. Aber jeder muss seinen Seg finden. Ich drücke Dir die Daumen. Bist ein guter Kerl. Und das meine ich auch so. Grüße Uwe

    1. Hi Uwe,

      Schön, dich hier zu lesen. Sorry für die Verspätung.

      Ja sicher kennen wir uns ein paar Tage. Es wird mit dem Kontakt tatsächlich Zeit.

      Ich habe dich immer geschätzt, weil du halt so warst, wie du warst. Du hast dann ja gemerkt, dass es so nicht weitergehen kann. Daher weißt du, wie ich mich fühle.

      Ich komme wieder auf die Beine. Dauert halt. Und so habe ich die Gelegenheit, alles mal zu bewerten.

  2. Mein lieber Henning Uhle,

    wie treffend du mit den Sätzen >>Aber es ist eben auch der Stress, dem wir alle ausgesetzt sind: Corona, Klima, Russland, Energiepreise, Inflation und so weiter und so fort. Bei mir hat sich so eine bescheuerte latente innere Unruhe breit gemacht.<< doch das aktuelle Wirken der Medien zusammenfasst. Sogar die heutigen Kindersendungen gehen in die Richtung.

    Ich ermutige dich, dass du deinen Weg weiter beschreitest. Gehe ich einmal mit Menschen raus, merke ich wie schnell man mit irgendwelchen Themen durch ist. Wie im medialen, so vermeide ich auch zunehmend im privaten die Geschwindigkeit durch Themengebiete zu hechten oder sich gegenseitig mit Superlativen zu "reizen". Und genau da merke ich, wie schwer es geworden ist über ein Themengebiet länger zu verharren. Meine Erklärung dazu passt zu deinen oben zitierten Sätzen, die innere Unruhe hat sich breit gemacht in unseren Seelen.

    Problem erkannt, jetzt kann man es angehen – im wahrsten Sinne für uns Beide :-). Ich wünsche dir, von Herzen, viel Erfolg.

  3. Das Gute ist, dass die meisten denken Bewegung und ausgeglichen Essen nur langfristig erfolge bringt, aber man oft die Veränderung schon vom ersten Tag an spürt! Weiter so und gelassen deine innere Mitte finden :)

    lg Lucas

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