„Leipziger Brettl“ oder: Die Bemme in den Nischel

Hamm se sisch schonnemal ne äschde Bemme indn Nischel geschohm? Wir waren gestern im „Leipziger Brettl“. Das war dann schon eine etwas andere Geschichte. In einer Zeit des globalisierten Dorfes Leipzig, das zur weltgrößten Stadt empor gestiegen ist, muss man sich so etwas schon einmal geben. Wir kennen Kabarett. Aber so, wie das im „Leipziger Brettl“ abläuft, kannten wir das nicht. Awwer scheene war’s. Und das ist mein Abwasch der Woche.

Was ist denn das „Leipziger Brettl“?

Schankraum im "Gambrinus". Dort ist kein Kabarett.
Schankraum im „Gambrinus“. Dort ist kein Kabarett.

Es handelt sich hierbei um eine echte Kleinkunst-Bühne. Sie befindet sich im westlichen Stadtteil Lindenau. Dort gibt es die schmale, laute Odermannstraße. Wie, Sie haben das „Brettl“ dort noch nicht gesehen? Dann gehen Sie mal in die uralte, urige Kneipe „Gambrinus“ rein. Die ist übrigens viel älter als die bekannte tschechische Biermarke. Dort können Sie etwas erleben.

Naja, wobei: Nicht mal direkt im „Gambrinus“. Dort ist halt Kneipe mit Hausmannskost und Raucherraum und so etwas. Irgendwie ist man dort in der Vergangenheit stehen geblieben, was die Kneipe aber auch so gut macht. Und man sieht einen Stehtisch, der irgendwie zum Inventar gehört. Und auf dem steht ein Schild „Eintrittskarten“. Hinter einem Vorhang geht es zu den Toiletten sowie in den Biergarten. Und im dortigen Nebengebäude ist das Brettl.

Eine unscheinbare Tür führt in einen Ofen-gewärmten kleinen Raum mit Tischen und Bierbänken. Alles sieht irgendwie klein und nicht auf Hochglanz getrimmt aus. Und dort hatte Steffen Lutz Matkowitz vor fast 40 Jahren ein Kabarett gegründet. 1983 wurde es verboten, und Matkowitz erhielt Auftrittsverbot. Bis heute nimmt er deshalb nicht an der „Leipziger Lachmesse“ teil.

Wie de Gusche ölig wird und dor Nischel qualmt

So heißt das aktuelle Programm im „Leipziger Brettl“. Launig und maulig trägt Matkowitz zu Beginn die „Duhrandott“ vor. Lene Voigt, die Leipziger Mundart-Dichterin, ist fester Bestandteil der Programme. Und Matkowitz schimpft über gesellschaftliche Belange wie die Rheinbahn (Er wohnt seit 1986 im Rheinland). Und er lässt in gewaltigen Bildern die „Queen Mary“ vom lächerlichen Stadthafen über den Kickerlingsberg ins Rosental schippern.

Er erklärt, dass dieser ominöse Kickerlingsberg im Süden von Gohlis gar kein Berg, sondern „ä Hüüüchel“ ist. Und man erfährt, dass das Rosental gar kein Tal ist. Leipzigern ist das bewusst. Man macht sich darüber gern mal lustig. Dem Publikum, das zur Mehrheit aus zugezogenen Leuten bestand, musste man das erklären. Auch den Umstand, dass die Lächerlichkeit namens Stadthafen „der weltgrößte Stadthafen Leipzigs“ ist.

Matkowitz reitet genüsslich darauf herum, dass Leipzig seine liebenswerte Piefigkeit mit Macht und viel Geld unbedingt loswerden will. So, wie er auch auf „kulturneutralen Toiletten“ herumreitet und dabei ungereinigte arabische Aborte zeigt und launig fragt, ob man denn künftig „durch ein Loch scheißt“. Er legt den Finger in die Wunde. Das macht „das dienstälteste Leipziger Kabarett-Original“ mit Bravour und überspitzt dabei gnadenlos.

Alles wirkt improvisiert

Man kommt sich so vor wie zu Schulzeiten in einer Kabarett-AG. Und Matkowitz macht alles selbst. Er singt auch und begleitet sich an einem Keyboard, wo Sound-Untermalungen klimpern. Dabei verspielt er sich mal oder versingt sich. Er scheint eh kein Pavarotti zu sein. Aber das passt eben alles super zusammen. Auch ein nervtötender Bezug auf Helicopter-Eltern mit einem ohne Unterlass zu hörenden „Mamamamamama“ und „Meinschatzmeinschatzmeinschatz“ passt da dazu.

Das Kabarett passt zu Leipzig. Leipzig kommt am besten daher, wenn es unfertig und improvisiert wirkt. So wie das „Leipziger Brettl“ improvisiert wirkt. Und die Webseite des Kabaretts fügt sich nahtlos dort mit ein. Und so schimpft (in Bayern sagt man „grantelt“) und poltert Matkowitz knapp 1,5 Stunden durch die Jahrzehnte und verwickelt Lene Voigt mit der Rheinbahn und der Queen Mary und wartet vermutlich heute am Stadthafen auf die Weiterfahrt.

So ein Abend ist mal ein Erlebnis. Lassen wir uns solche Läden unbedingt aufrecht erhalten, indem wir sie besuchen. 15 Euro für so ein ursprüngliches Kabarett sind nicht zu viel verlangt. Der Matkowitz’sche Abriss durch „Zonesien“ (die ehemalige DDR) mit seiner Zentrale Leibzsch ist kurzweilig. Und für das „weltgrößte Leipzig“ gilt eben „3-D“. Und das bedeutet: „Durch und durch doll“. Wenn das mal nichts ist! Deshalb schieben wir uns erstmal „ne Bemme indn Nischel“.

Erklärung für dortige und nicht hiesige

  • Nischel = Gobb = Kopf
  • Bemme = Schnitte = eine geschmierte Scheibe Brot
  • Der Stadthafen = Naja, sowas halt
  • Kickerlingsberg = Eine Nebenstraße im Süden von Leipzig-Gohlis
  • Rosental = Teil des Auwaldes
  • Gambrinus = Eine Kneipe

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