NSU-Prozess: Der Grabstein der Demokratie

Der NSU-Prozess ist heute zu Ende gegangen. Für viele bedeutet das: Der Demokratie wurde Genüge getan. Für andere heißt das: Die Gerechtigkeit hat verloren. Gerade was so um den Prozess herum bekannt wurde, ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Demokraten. Ja, ich weiß, ich höre mich gerade so an, wie jemand, der markige Parolen ausrufen muss. Mir ist aber gar nicht nach Sprücheklopfen. Denn heute wurde ein Stück die Demokratie beerdigt.

„Der NSU“ wurde verurteilt

Vor einiger Zeit wurde der Nationalsozialistische Untergrund – der NSU – im Fernsehen thematisiert. Ich schrieb in meinem Artikel dazu, dass es sich beim NSU um ein schlimmes Trauma für Deutschland handelt. Und glauben Sie mir: „Der NSU“ wurde nicht verurteilt, da es diesen einen NSU nicht gibt. Man hat Menschen ins Gefängnis gesteckt, die mehr oder weniger herausragend bei dem Terrornetzwerk aktiv waren. Mehr aber auch nicht.

Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sind tot. Im Film wird mit dem Gedanken gespielt, dass der Tod der beiden kein erweiterter Selbstmord war, sondern Behörden haben sich lästige Werkzeuge vom Hals geschafft. Also wurden die beiden zum Tode verurteilt. Die Todesstrafe gibt es eigentlich nicht in Deutschland. Aber eben nur eigentlich. Wer lästig ist, wird verschwunden gemacht. (Ja, das ist kein Schreibfehler, ich meine das wirklich so.)

Beate Zschäpe war nun Hauptangeklagte. Und die wurde zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Man sperrt sie also weg. Ralf Wohlleben bekam 10 Jahre, ein Carsten 3 Jahre Jugendstrafe, ein André 2,5 Jahre und ein Holger 3 Jahre. Damit hat man seine Schuldigkeit getan. Hunderte Verhandlungstage, unfassbare Steuerverschwendung und aufgeklärt wurde überhaupt gar nichts.

Der NSU-Prozess ist ein Schlag ins Gesicht

Es mag für viele Menschen unfassbar erscheinen, aber das deutsche Volk besteht zu einem gewichtigen Teil aus Migranten. Damit meine ich nicht nur die türkischen Gastarbeiter mit ihrem (deutsch-)türkischen Nachwuchs. Ich meine afrikanische oder asiatische Studenten mit ihren deutschen Anhängen und den daraus resultierenden Kindern. Ich meine die Europäer, die am Ende des Zweiten Weltkriegs nach Deutschland vertrieben wurden. All die sind „Menschen mit Migrationshintergrund“.

Auch Beate Zschäpe gehört dazu, da ihr Vater ein rumänisches Abenteuer ihrer Mutter gewesen sein soll. Sie und ihre Kumpane setzten über Jahre Migranten einer unerhörten Gefahr aus und waren für Morde, Gewaltakte, Sprengstoffanschläge, Raubüberfälle etc. verantwortlich. Nun sind die Urteile gesprochen. Im Fernsehen sprach man schon von „Akte zu“. Das soll es jetzt zum NSU gewesen sein?

Das Katz-uns-Maus-Spiel von Zschäpe und Co. während all der Jahre und während des Prozesses ist nun einfach Vergangenheit? Nun werden Akten schreddernde Verfassungsschützer vergessen, so wie die mit Hakenkreuz tätowierten Mitangeklagten alles vergaßen? Es handelte sich beim NSU-Prozess um das größte Trauma Deutschlands seit dem Zweiten Weltkrieg. Und wir sollen das Alles einfach so abhaken? Sorry, aber das ist ein Schlag ins Gesicht.

Der NSU ist ein weiter wucherndes Geschwür

Der NSU-Prozess wurde für beendet erklärt, weil der ja „nur aus drei Personen“ bestand: Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Zschäpe geht ins Gefängnis, die anderen beiden sind tot. Waren wir wieder mal die geilsten! Was ist aber mit den Netzwerken, die den NSU unterstützt haben? Woher wollen wir denn wissen, dass mit dem NSU-Prozess der Untergrund tatsächlich beendet wurde? Ich gebe mich jedenfalls nicht damit zufrieden.

Die ganzen Auswüchse rund um die Flüchtlingsthematik und wie sich Politik, Polizei, Presse und Co. dazu zum Teil verhalten haben, zeigen doch, dass der NSU keineswegs am Ende ist. Sie heißen vielleicht jetzt „Gruppe Freital“ oder anders. Aber das Geschwür ist nach wie vor da. Und nach wie vor finden sie in Sicherheitsbehörden, Ermittlungsbehörden, Politik etc. gewaltige Unterstützung und Rückendeckung.

Zum Teil sollen die Ermittlungsakten 120 Jahre unter Verschluss bleiben. Überhaupt soll nun vieles tot geschwiegen werden. Aber selbst wenn sich wirklich jemand schonungslos der Ermittlung verschreiben würde und alles aufklären wollte, die Wunde, die der NSU in Deutschland hinterlassen hat, ist ein bösartiges, eitriges Geschwür. Denn mittlerweile ist der Hass auf Migranten (und prinzipiell sind wir alle welche) salonfähig geworden und wird von der Spitzenpolitik hofiert.

Der Grabstein der Demokratie

Die Akten rund um den NSU sind geschlossen, viel Material wurde bereits vernichtet. Es kann nicht mehr weiter ermittelt werden. Niemand fragt mehr, wer denn noch mit zum NSU gehört hat, wer den Nazi-Terror unterstützt hat, welche Politiker und Beamte schützend die Hand über das Netzwerk gehalten haben. Was nicht in Akten steht, die nun unter Verschluss stehen oder schon (behauptetermaßen versehentlich) vernichtet wurden, wird nun tot geschwiegen.

Jeder kann mutmaßlich zukünftig Opfer des NSU werden. Auch Helene Fischer, die aus Sibirien stammt. Wenn die nächsten Türken ermordet wurden, reden wir dann wieder von den „Döner-Morden“ und tun ahnungslos? Das ist alles unzumutbar. Das kann niemand – und speziell keine Behörde – als ärgerliche Pannen abtun. Das ist Vorsatz. Und genau dieser Filz ist der Grabstein der Demokratie hier in Deutschland.

Richter und Staatsanwaltschaft können sich zwar jetzt einen runterholen, weil sie den NSU-Prozess abgeschlossen haben. Dennoch erfahren tagtäglich Minderheiten in diesem Land Gewalt und Repressalien. Solche Taten – abseits von brennenden Flüchtlingsunterkünften oder ermordeten Türken – wirken dann immer wie Risse in der Matrix. Und dafür zahlen wir als Gesellschaft einen viel zu hohen Preis, der den NSU-Prozess als Discount-Angebot erscheinen lassen wird.

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