Reden. Gut, wer es kann. Schlecht, wenn man sich dazu quälen muss. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, heißt es ja. Was aber, wenn man unbedingt reden muss? Wenn es Dinge gibt, die unbedingt geklärt werden müssen? Spielt man dann weiter den Schattenboxer, nur um nicht reden zu müssen? Wenn es so weit gekommen ist, sollte man unbedingt Hilfe annehmen, vermute ich. Ich weiß nur nicht, inwieweit es wen betrifft, dieses quälende Reden.
Was ist für mich quälendes Reden?
Ich kann mich erinnern, dass ich in meiner Kindheit gestottert habe. Es war irgendwie so, dass meine Gedanken schneller als meine Zunge waren. Es war kein sonderlich starkes Stottern. Aber es hatte schon gestört, denn es war quälendes Reden. Und vor allem verunsichert das ja, gerade in der Schule, wo man ja doch mal irgendwas vor der Klasse erzählen muss. Ich habe keine Therapie gegen das Stottern gemacht. Ich weiß nicht wieso, jedenfalls kann ich mich daran nicht erinnern.
Ich weiß aber, dass mir mit der Zeit die Musik half. Nein, zur Schulzeit war ich da nicht sonderlich gut darin. Und ich bezweifle, dass ich jemals auch nur ein Hauch Pavarotti war. Jedenfalls hatte ich lange Zeit mit Musik zu tun. In den letzten Jahren meiner Schulzeit war ich mit einem damaligen Kumpel als DJ unterwegs. Aber ich habe auch richtig was gelernt.
So hat mich ein damals in meinem Heimatkiez spielender Schlagzeuger am Schlagzeug ausgebildet. Er meinte, ich müsse nur konsequent weitermachen, dann wäre ich angeblich richtig gut. Aber wie soll man denn mit einem Schlagzeug üben? Und dann war ja auch das Problem, dass man sich nicht einfach ein Schlagzeug auf den Rücken schnallt und irgendwo an einer Straßenecke vor sich hin klappert. Zumal das Ganze ja auch verdammt laut war.
Direkt zur Musik
Jedenfalls habe ich mich dann irgendwann dem Keyboard zugewandt. Es müssen um die 12 oder 13 Jahre gewesen sein, dass ich elektronische Musik gemacht habe. Wir waren da zu zweit, mein Kumpel und ich. Und dann hatten uns eine Weile lang zwei Mädels begleitet. Das Ganze war witzig, und wir waren eine ziemlich lockere Truppe. „The Doctors of Philharmonic Frontiers“ nannten wir uns. Ja, wir waren so wahnsinnig, uns als „die Ärzte der philharmonischen Grenzen“ zu bezeichnen.
Wie auch immer, durch private Veränderungen hatte man sich mit der Zeit dann getrennt. Aber ich hatte das ganze Zeug. Ein Yamaha-Keyboard, ein Commodore Amiga 1200 Computer, Mixer, Sequenzer, tralala. Und ich wollte ja weiter Musik machen, da die mir die Möglichkeit gab, mich auszudrücken. Ich musste da keine Panik haben, etwas falsches zu erzählen, denn es war ja meins. Und ich war plötzlich nicht mehr unsicher. Und ich nahm sogar Gesangsunterricht.
Tja, aber wie das so ist mit Technik: Irgendwann segnet die auch mal das Zeitliche. Und für Windows gab es lange Zeit keine entsprechend guten Sequenzer-Programme. Und irgendwie habe ich mich nie wieder mit Musik beschäftigt. Mein Privatleben hatte aber auch andere Prioritäten.
Was das Reden betraf, so war das die vielen letzten Jahre ohne die Musik so, dass ich gern und viel redete. Dabei habe ich mich sehr oft beim Stammeln erwischt. Das ist so das „ähm, ähm, ähm…„. Und ich habe viel daher palavert. Oftmals war es so, dass ich viel redete, ohne viel zu sagen. Damit wollte ich aber nur meine eigene Unsicherheit verbergen. Ich wollte eben auch nicht, dass ich etwas falsches erzähle oder etwas falsch verstanden wurde. Aber ich glaube, genau das ist oft genug passiert.
Diskussionen, die nicht enden wollten
Gerade in endlosen Diskussionen war es dann auch so, dass ich dann lieber das Wort-Gewitter auf mich habe einprasseln lassen. Irgendwann wird das mal aufhören, sodass ich auch mal meinen Standpunkt erklären kann. Das waren so meine Gedanken dazu. Aber das kann man ja eigentlich nicht sein ganzes Leben lang machen, ohne verrückt zu werden. Also habe ich mich dann eben lautstark in die Diskussion, bei der ich Teil war, eher eingemischt, sodass die Sache eskalieren musste. Da war wieder quälendes Reden.
Ich denke, unterm Strich ist es so, dass ich Sorge hatte, das falsche Maß anzusetzen. Das ist quälend. Das ist nervtötend. Das treibt einen in den Wahnsinn. Aber wie beim Nein-Sagen habe ich mir hier etwas vorgenommen. Denn man hat ja gern Gespräche mit mir. Und das ist ein gutes Zeichen. Es ist eben nur so, dass ich wie das permanente „Ja“ auch die Unsicherheit über das anzusetzende Maß loswerden muss.
Spiegelbilder und Puppenspieler
Bei den Gedanken drängt sich mir ein Lied von Unheilig auf. „Der Graf“, wie sich der Sänger der Band nennt, hatte in seiner Kindheit schwer gestottert. Und er hatte darüber auf dem Album „Puppenspiel“ das schwer beeindruckende „Spiegelbild“ geschrieben. Das Lied spricht mir tief aus der Seele, denn ich gucke derzeit auch auf mein Spiegelbild und sehe dabei die Unsicherheit, die ich jahrzehntelang mit mir herumtrug. Man kann jetzt keinen Schalter umlegen und ist plötzlich ein anderer Mensch. Man kann sich aber selbst den Spiegel immer wieder vorhalten und sich hinterfragen, ob seine Ziele näher gerückt sind.
Denn niemand will sich beim Reden quälen. Wenn das Reden zur Qual wird, dann ist das Leben um einiges weniger lebenswert. Glauben Sie mir das ruhig, ich spreche da aus Erfahrung. Und das da ist das Lied, das ich meine:
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