Rammstein: Deutschland – Das maximal dickste Brett

Ich mag Rammstein nicht sonderlich. Das liegt aber daran, weil ich mit dem Musikstil nicht so wahnsinnig viel anfangen kann. Das ist alles. Die Berliner Band wird dem Stil „Neue Deutsche Härte“ zugeordnet. Und hart ist die Musik. Kompromisslos. Kontrovers. All das stimmt. Aber die Band wurde auch von allen möglichen Leuten in die rechte Ecke gedrängt. Stimmt das? Wenn man den Medien im Vorfeld von „Deutschland“ zugehört hat, dann muss das ja stimmen. Deshalb mein Artikel.

„Deutschland“: Das maximal dickste Brett in der innerdeutschen Debatte

Ich sehe schon die ganzen Nationalisten die Fäuste in die Höhe recken und lauthals „Deutschland“ brüllen. Es kommt ja auch oft genug im Text vor. Oh, wow, „die Nazis“ stehen an der Spitze der deutschen Charts! Und irgendwo wimmert jemand leise „Deutsche Panzer rollen wieder“. Gestern und überhaupt in den letzten Tagen konnte man ja auch von medialer Seite einen Vorgeschmack darauf bekommen.

„Deutschland: KZ-Anspielungen in Video – Empörung über Rammstein“, brüllt es aus den Schlagzeilen. Die Band würde ein „Skandalvideo“ präsentieren. Die „Schock-Rocker“ würden mit „Nazi-Polemik“ die Gesellschaft spalten. Wie gesagt: Es ist das maximal dickste Brett. Warum das so ist, werde ich noch ausführen. Aber all die Schlagzeilen sind durch die Bank weg Unsinn.

„Till Lindemann und Kapelle“ kamen mit der größten Provokation der deutschen Inlands-Neuzeit als erste Single seit Jahren um die Ecke. Einerseits ist die Band halt so, wie sie ist. Andererseits wollte sie sich nie wieder vor irgendeinen Karren spannen lassen. Und sie haben in ihrer unnachahmlichen Art und Weise eine Rammstein-Version von Heinrich Heines „Nachtgedanken“ gebracht. Als ich das Lied mit dem Video konsumierte, fiel mir nämlich sofort ein:

Denk‘ ich an Deutschland in der Nacht,
dann bin ich um den Schlaf gebracht.
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
und meine heißen Thränen fließen

Heinrich Heine – Nachtgedanken

Worum geht es in „Deutschland“?

Bevor sich alle Welt über das Lied und das Video aufregt, muss man doch eigentlich wissen, worum es in dem Lied geht. Ist es denn ein „Nazi-Lied“, wie bisweilen behauptet wird? Eine gnadenlose, nichts beschönigende Provokation: Ja. Rechtsradikales Gedankengut: Nein. Machen wir uns mal an den Inhalt.

Lindemann unterhält sich mit Deutschland und seinen Einwohnern. Das Land hat viel geweint. Es ist vom Volk im Geist getrennt, aber im Herzen vereint. Sie sind schon lang zusammen. Er wird es nie verlassen. Man kann Deutschland lieben, obwohl man es hassen will. Denn es ist überlegen, überheblich. Deutschland, Deutschland, über allen. Und der Refrain ist das Herzstück:

Deutschland – mein Herz in Flammen
Will dich lieben und verdammen
Deutschland – dein Atem kalt
So jung – und doch so alt
Deutschland – deine Liebe
Ist Fluch und Segen
Deutschland – meine Liebe
Kann ich dir nicht geben
Deutschland!
Deutschland!

Rammstein: „Deutschland“

Puh, schwere Kost, oder? Unter dem Hashtag #DuHastVielGeweint wurde die Werbemaschinerie voran getrieben. Es gab einen Teaser zum Video, das übrigens rund 9,5 Minuten lang ist. Und genau über diesen Teaser haben sich die Medien aufgeregt, ohne das komplette Video zu kennen. Und damit haben es die Medien geschafft, die Band in die rechte Ecke hinein zu orakeln, ohne tiefere Kenntnis zu haben.

Was bezwecken Rammstein damit?

Ich kenne Rammstein eigentlich nur maximal provozierend. Und das Konzept funktioniert bestens. Begonnen haben sie als „Rammstein Flugschau“ nach dem Unglück bei den Flugtagen auf der Ramstein Airbase 1988. Und sie wissen mit der Zeit, wie der tumbe Deutsche halt so funktioniert.

Die Deutschen können halt Salsa-Unterricht nehmen noch und nöcher, es wird immer eckig aussehen. Deshalb klatschen sie im Handflächen-Marsch stumpf auf der Eins im Vierviertel-Takt. Und damit kann man der Meute praktisch alles vor die Füße werfen. Markig muss es klingen. Erinnern Sie sich noch an:

Gott weiß, ich will kein Engel sein

Textauszug aus „Engel“ von Rammstein

Sie spielen mit Worten, geben Raum für Interpretationen. Zuerst entsteht die Musik. Und die wird wie ein riesiger bleierner Teppich dem dann sich ausbreitenden Text zu Füßen gelegt. Und Till Lindemann will die Welt vorführen, am Nasenring durch die Manege zerren, vielleicht sogar zum Nachdenken anstiften.

Und das ist der Band auch bei „Deutschland“ gelungen. Auf einem Schlachtfeld aus harten Gitarren-Riffs und Stakkato-Keyboards wird das Land beklagt. „Denke ich an Deutschland…“ Da wird nichts in den Himmel gelobt. „Meine Liebe kann ich dir nicht geben“. Und das Video ist die komplette und maximale Provokation. „Seht her, so ist es gekommen, dass Deutschland so wurde, wie es ist.“

Das Video

Ja, sie stehen in Häftlingskleidung aus den KZs am Galgen. Ja, sie schießen als KZ-Häftlinge der SS ins Gesicht. Das schockiert. Es schockiert ebenso, dass Blut fließt. Die martialischen Prügeleien im Video zeigen die stetige Zerrissenheit innerhalb der Gesellschaft. Gezeigt werden auch die Germanen, die Stasi, Überfälle, Mauerfall, aber es bleiben eben die KZ-Häftlinge bei den Medien hängen.

Nein, das Video ist keine Verherrlichung. Es ist aber maximal drastisch. Es zeigt die Tiefpunkte der deutschen Geschichte. Und es zeigt eben auch, dass die Vogelschiss-Äußerung von Alexander Gauland eben alles andere als eine Kleinigkeit ist. Mit „Deutschland“ distanzieren sich Rammstein mit dem Vorschlaghammer und der Streitaxt von der Vereinnahmung durch die tumpen Rechtsradikalen.

Na klar, die hauptsächliche Provokation der Neun-Minuten-Zweiundzwanzig-Sekunden ist die Szene mit den jüdischen Häftlingen in KZ-Kleidung. Und genau die wurde als Teaser verwendet. Kann man so machen. Muss man nicht unbedingt. Am Ende ist es aber wie das kraftvolle Schlagen der Faust auf den Tisch, um sich Gehör zu verschaffen.

Ich werde das Video hier nicht einbauen. Es zeigt Gewaltszenen, und das möchte ich meinen Lesern nicht zumuten. Aber zum Beispiel auf der offiziellen Webseite der Band ist es in voller Pracht zu sehen. Schreien Sie nicht gleich „Skandal!“ und „Nazis!“, schauen Sie es sich an, denken ein paar Stunden darüber nach und geben dann Ihre Meinung bekannt.

Offizielles Video zum Lied

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