Am Freitag hatte die Freie Kabarett Kultur Leipzig Premiere mit ihrem Programm „Verrückt in die Zukunft – Das Präteritum schlägt zurück“. Da wir Kabarett lieben und gestern eh in der City in Leipzig waren, entschlossen wir uns kurzerhand dazu, uns dieses Programm anzuschauen. Und, Leute, es hat sich gelohnt. Selten hat mich Kabarett mehr begeistert als gestern. Das ist mein Thema im Abwasch der Woche.
Wer oder was ist „FKK“?
Wir waren gestern das erste Mal im Central Kabarett direkt am Markt in Leipzig. Dort gastiert derzeit „FKK“, also die „Freie Kabarett Kultur Leipzig“. Und wie Kabarett eben so ist: Alles ist irgendwie übertrieben. Aber so gut von den vier Machern, das hat sehr viel Freude gemacht. Die FKK besteht im Wesentlichen aus:
- André Bautzmann: Kabarettist und Autor
- Robert Günschmann: Kabarettist und Autor
- Martin Joost: Schlagzeug, Technik, Management
- Keti Warmuth: Klavier
Unter dem Titel „Verrückt in die Zukunft – Das Präteritum schlägt zurück“ boten Bautzmann und Günschmann mit musikalischer Unterstützung von Joost und Warmuth gestern um die 2 Stunden Programm. Es waren nicht die laut schreienden Gags. Es war auch nicht der erhobene Zeigefinger. Nein, es war ein brillanter, bunter Abend mit einem wilden Streifzug durch die deutsche Gesellschaft.
Verrückt in die Zukunft – Das Präteritum schlägt zurück
Ja, das war wirklich so, wie es benannt war. Das Programm war eine Zeitreise. Die Rahmenhandlung fand in einem „Irrenhaus“ statt, in dem der verrückte Dr. Emmet Brown und Marty – also „Marti-nnnnnn“ – sich im Jahr 2002 über die Zukunft unterhalten. Erster fliegt in die Zukunft. Ins Jahr 2019. Und kommt dann immer wieder erschrocken zurück.
Und es folgen Episoden aus der Zukunft. Handys mit Fotofunktion, eine Frau als Bundeskanzlerin, und die heißt auch noch „Angie“. Der „Highway to Hell“ gilt nur für den Kassenpatienten. Und am Ende trifft man sich auf dem Friedhof und gewinnt beim Weitpinkeln, weil man es weit genug schafft hat und sich nur die Schuhe versaut.
Die beiden nehmen Bezug auf Facebook und die Allzeitüberwachung und kommen zu dem Schluss, dass Facebook der feuchte Traum von Stasi-Chef Erich Mielke gewesen sein muss. Frauen sucht man sich durch nach links und nach rechts wischen auf dem Handy aus. Macht man das im echten Leben, bekommt man aber selbst ein paar Ohrfeigen.
So zog sich das Programm, das zu jeder Sekunde der zwei Stunden abwechslungsreich und nicht vorhersehbar war, durch 17 Jahre deutsche Geschichte. Es kamen natürlich auch die besorgten Bürger zur Sprache, die einen Trauermarsch für einen Deutschen abhielten, der von einem Afghanen getötet wurde. Wer das war, sollten sie sich aber echt im Kabarett anschauen.
Herausragend: „Man on the Moon“
Wie Sie wissen, bin ich ein großer Freund des Liedes „Man on the Moon“ von R.E.M. Das Lied über die größte Verschwörungstheorie der USA ist bis heute sensationell. Ich schrieb auch mal gesondert über Verschwörungstheorien. Und dann kommen „Bautzi“ und „Günni“ gestern Abend in DIESEM Programm am Ende auf die Idee, „Man on the Moon“ als Finale zu bringen.
Sie zählten verschiedene Dinge auf, die unter „Als ob das passieren kann!“ fallen können. Und die 56 „Yeahs“ aus „Man on the Moon“ wurden zu „Jas“. Jaja, als ob das möglich sein kann! Und am Ende fliegen wir auch noch zum Mond! Träum weiter! Was war das großartig! Ich mag ja nun wirklich Kabarett, aber das ging weit, weit darüber hinaus.
Robert Günschmann verfasste die deutsche Version des Liedes. In einem persönlichen Gespräch nach dem Programm habe ich mich für diese Darbietung bedankt. Sie hatte mich sehr berührt. Ihm schwebte schon seit Jahren eine Umsetzung des Themas vor. Das war brillant gemacht. Das allein war das Eintrittsgeld wert.
Fazit: Lohnt es sich?
Die rasante Reise durch die deutsche Gesellschaft, in der der Deutsche Schäferhund betrauert und der Kassenpatient in der Besenkammer gelagert wird, ist natürlich maßlos übertrieben. Da Kabarett aber auch immer gesellschaftskritisch, komisch-unterhaltend und/oder künstlerisch-ästhetisch ist, muss das auch genau so gemacht werden, wie das die FKK macht.
Dabei ist Kabarett nie Comedy. Bautzmann und Günschmann glänzten durch ihre pointierte Kritik an der gesellschaftlichen Entwicklung, denn das war ja 2002 noch alles „ganz anders“. Und man traut seinen Augen nicht. Das konnte doch alles nicht ernst gemeint sein. 2019 kann doch nie und nimmer Realität sein. Deshalb auch das Herzstück „Man on the Moon“.
Die zwei Stunden kosteten 24 Euro im Central Kabarett, wo die beiden wie Meigl Hoffmann zum Inventar gehören. Jeder Cent und jede Minute lohnen sich. Ich habe mich selten besser unterhalten und tiefer berührt gefühlt. Das war großartiges Kabarett. Und der Titel „Verrückt in die Zukunft – Das Präteritum schlägt zurück“ trifft den Nagel hier echt auf den Kopf.
Wir werden uns wohl noch weitere Programme der FKK zu Gemüte führen. Und es empfiehlt sich einfach, über diese Art von Kunst zu erzählen. Und ich fand es wichtig, nach dem Programm mit den beiden direkt zu sprechen. Denn als Blogger, dem die Kommentare fehlen, weiß ich: Die direkte Resonanz ist der beste Lohn. Und die beiden sind nun mal direkt ansprechbar. Da kann man sie auch direkt mal loben, denn das war großartig.