Unknown Circumstances – Regler drehen bis zum Abwinken

Ich bin fertig. Nach Monaten habe ich den Track „Unknown Circumstances“ fertig. Was für ein Höllenritt, den ich oft genug abgebrochen hatte. Ich will euch mal etwas zu dem wohl schwierigsten Projekt erzählen, seitdem ich wieder Musik mache. Das Stück war mir wichtig, und ich bin unendlich oft daran gescheitert, habe alles mögliche andere gemacht, habe abgewunken und abgebrochen und wollte das komplette Projekt schon mehr als einmal löschen. Ich habe es dann doch nicht gemacht. Und jetzt ist es fertig.

Was 808 State einst angezettelt hatten

Es war November 1989 in Manchester. Andy Barker, Gerald Simpson, Martin Price und Darren Partington hatten seit 2 Jahren ihre Band 808 State am Start. Es war die Hochphase von Acid und Madchester, vom klassischen House, vom klassischen Techno, von Electronic und Ambient. Und 808 State haben all das miteinander verklöppelt. 1988 kam ihr Debüt-Album „Newbuild“ auf den Markt, 1989 dann das Mini-Album „Quadrastate“, darauf: „Pacific State“.

Als ich „Pacific State“ das erste Mal gehört hatte, es war die Wendezeit, habe ich sofort irgendwie so ein heimeliges Gefühl bekommen. Das Stück fühlt sich an wie eine warme Wolldecke, in die man sich einrollen will. Aus unbekannten Umständen wurde ich in den letzten 35 Jahren immer wieder mit diesem traumhaften Stück House konfrontiert. Bis heute ist das Stück aus irgendeinem Grund mein Wegbegleiter in der elektronischen Musik. Deshalb habe ich ein „Unknown Circumstances“ fabriziert.

Ich wollte dabei aber keineswegs 808 State nacheifern oder gar imitieren. Das kann man ohnehin nicht. Ich wollte ein bisschen die Stimmung einfangen und auch so ein Stück bauen. Worauf ich mich dabei eingelassen habe, war nicht abzusehen, als ich mit „Unknown Circumstances“ am 13.11.2023 (Zeitstempel der Erstellung des Projekts) angefangen hatte. Heute haben wir den 21.04.2024, und jetzt bin ich fertig. Es war für mich die Hölle.

Unknown Circumstances – Die Sache mit dem Eistaucher

„Unknown Circumstances“ ist ein für mich völlig anderes Stück Musik. Ich bin ja sonst eher im Melodic Techno unterwegs. Geradlinig, voll in den Schädel, laut. Das ist hier alles anders. Das Stück swingt vor sich hin, die direkteste Parallele zu „Pacific State“. Und in der Vorlage kommt leise ein Sample eines „Loon“ zum Einsatz. Das ist ein Eistaucher. Der ist in der Tundra, in den Nadelwäldern Nordamerikas, in Grönland und auf Island zuhause. Tja, und ich habe ein Sample eines solchen Vogels.

Ich wollte die Kälte der Arktis musikalisch einsammeln, aber das Entspannte des Electric Swings (So heißt das, glaube ich) mit verwursten. Ich habe auch eher wenig Wert auf Tonarten und Tongeschlechter gelegt. Was gut klingt, ist gut. Und so bin ich im Hauptteil (nennt es von mir aus „Refrain“) von F# Moll7 über F Dur7 zu C-Dur7/G marschiert. Es gibt keine Tonart, in der alle drei Akkorde gemeinsam vorkommen. Die reine Komposition ging ziemlich schnell. Aber dann.

Ich habe noch nie so lang zugebracht, ein Stück fertig zu produzieren. Knöpfe gedreht, Regler auf- und zugeschoben, mir eine Mastering-Spur gebaut, eingerissen, neu gebaut, geflucht, geschimpft, den ganzen Kram liegenlassen, neu versucht, gescheitert und so weiter und so fort. Ich wollte es verflucht nochmal so gut wie möglich hinbekommen. Letztlich habe ich über Musiker-Bekannte gefragt, was ich denn falsch mache. Es waren immer nur Nuancen, aber am Ende ging es immer wieder schief.

Und der Eistaucher grölte seinen Warnruf. Nein, ich mache „Unknown Circumstances“ nicht kaputt. Letzten Endes habe ich dann die Kick ausgetauscht, was augenblicklich zu einer Verbesserung geführt hatte. Und ich habe darauf verzichtet, selbst das Mastering zu machen. Das Mastering hat der Algorithmus von BandLab übernommen, den ich sonst auch immer genutzt habe. Und plötzlich war der Eistaucher zufrieden, meine Frau hat den Daumen hoch gereckt, und ich bin nun auch zufrieden.

Die Sache mit dem Mastering

„Unknown Circumstances“ hat mir eines gezeigt: Ich bin alles, aber eben kein Toningenieur und kein Mastering Engineer. Das sind Leute, die werden gut dafür bezahlt, dass Musik „fertig“ klingt. Die haben das gelernt und haben jahrelange Erfahrung damit. Die Algorithmen beim BandLab wurden genau von solchen Ingenieuren gebaut. Warum soll ich denn als jemand, der davon keine Ahnung hat, das Alles besser machen können? Das ist ein Trugschluss, der mich Monate gekostet hat.

Es hätte ja gut gehen können, tat es aber nicht. Das, was ich mit „Unknown Circumstances“ erlebt habe, will ich nicht nochmal haben. Darum werde ich wohl die Mastering-Möglichkeiten nutzen, die BandLab ohnehin anbietet. Es kann wie hier ja auch mal funktionieren, nämlich beim „Mirror Man“. Das hatte ich selbst gemastert und mit BandLab dann optimiert. Aber das geht halt nicht immer gut. Das ist mir eine Lehre. Und ich hoffe, dass euch „Unknown Circumstances“ dann wenigstens ein bisschen gefällt.

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