Volvo und die Medien: Was ist denn da los?

Ich bin beim Lesen von Blogs über eine obskure Geschichte rund um Volvo gestolpert. Da wird behauptet, der schwedische Konzern wolle abhauen. Genauer gesagt, geht es darum, dass der Hersteller von Nutzfahrzeugen – denn die Pkw gehören gar nicht mehr dazu – den Hauptsitz in Göteborg aufgeben wolle. Und ganz ehrlich, da muss ich doch mal hinschauen.

Wegen Volvo: Auflösungserscheinungen in Schweden?

Eigentlich wollte ich mich über das Portal „Journalistenwatch“ informieren, dessen Betreiber die Gemeinnützigkeit nach anhaltender Hetze entzogen wurde, um darüber zu erzählen. Und wie es sich halt gehört, trieb ich mich auch auf deren Seite herum. Auf den ersten Blick habe ich nichts zu der Entscheidung gelesen. Dafür anderes.

Der Blog verfügt über eine Unterseite, auf der „Freie Medien“ aufgelistet sind. Und dort hatte ich mich einfach mal durchgeklickt. Hängengeblieben bin ich bei einem Blog namens „Seidwalk“. Und dieser Artikel namens „Auflösungserscheinungen in Schweden“ ließ mich aufhorchen. Wer die Seite betreibt, ist unklar. Kein Impressum, keine Kontaktdaten, kein Name.

Jedenfalls zitiert dieser Blog Karen Jespersen und Ralf Pittelkow. Das Paar betreibt einen rechten Blog und dazugehörige Zeitschrift namens „Den Korte Avis“. Und „Seidwalk“ schreibt, dass sich Volvo angeblich dazu gezwungen sieht, Schweden zu verlassen. Håkan Samuelsson selbst soll vor den untragbaren Zuständen im Großraum Göteborg gewarnt haben.

Samuelsson ist der Chef der zu Ford gehörenden Volvo Car Corporation. Und der hat dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender SVT von Problemen in Göteborg erzählt: Es mangelt an Schulen, Wohnraum und an Sicherheit vor Straftaten. Dem stimmte auch der Vorsitzende der Stadtverwaltung, Josefson, soweit zu.

„Seidwalk“ fabuliert in den eigenen Artikel hinein, dass Göteborg von der „nicht-westlichen Einwanderung“ nach Schweden besonders hart getroffen sei. Der Polizeichef von Göteborg aber meinte, dass er auch die Meldungen auf Facebook und Twitter kenne, aber die Stadt immernoch im internationalen Vergleich für „ziemlich sicher“ halte.

Was stimmt nun?

Soweit der Vergleich zweier Artikel. Die Nachrichten bei Ecosia zeigen: Bis auf das nachweislich rechte Medium „Contra Magazin“ gibt es solche Meldungen nicht. Und bei Google News? Dort ist es das nachweislich propagandistisch arbeitende „RT Deutsch“, was davon wissen soll, wovon da „Seidwalk“ erzählt.

Worauf ich meine Ansichten der beiden Anbieter stütze? Auf diese Ausführungen und auf diese Darstellung. Ich will nicht sagen, dass das komplett erlogen ist, wenn jemand erzählt, dass die Kriminalität in der schwedischen Großstadt gestiegen ist. Ich würde jetzt auch SVT so weit über den Weg trauen, dass die einen Ruf zu verlieren haben.

Also gehe ich erstmal davon aus, dass Samuelsson tatsächlich die schlechter werdenden Umstände in Göteborg beklagt hat. Allerdings, wenn man sich den SVT-Artikel übersetzt, hört sich das so an, als ob Samuelsson gern mal schimpft. Und vielleicht ist das auch ein Jammern auf hohem Niveau. Und im Artikel ist keineswegs von Abschied aus Göteborg die Rede.

Ich schreibe immer wieder, dass man sich informieren muss und die Informationen gegenprüfen muss. So ist das eben auch in diesem Fall. Wenn nun also Samuelsson behauptet, die Kriminalität sei gestiegen, schauen wir doch mal, ob das so stimmt. Außer dem genannten Contra-Magazin ist das im deutschsprachigen Raum ehrlich kein Thema.

Wie kommt es dazu?

Wir hatten uns doch schon mal über alternative Fakten ausgetauscht. Das war damals zu Beginn der Trumpschen Regentschaft in Washington. Irgendwie ist da ja ein Funken Wahrheit dabei, der aber zu einem Flächenbrand aufgebauscht wird. Ja, vielleicht hat ja durch die Zuwanderung die Kriminalität tatsächlich zugenommen.

Aber in dem Maße, wie es das Contra-Magazin, die Junge Freiheit, RT Deutsch, Seidwalk, Journalistenwatch etc. behaupten, ist es nie gewesen. Schweden – und vor allem der Großraum Göteborg – gilt nach wie vor als sehr sicher. Wie kommt dann jemand auf diese absurden Ideen?

Eingangs war ja die Rede von Karen Jespersen und Ralf Pittelkow. Jespersen ist eine islamkritische, dänische Politikerin, die mit ihrem Mann das „rechtsbürgerliche“ Magazin „Den korte Avis“ herausgibt. Darin wird vor einer „Islamisierung“ Europas gewarnt. Auch ohne stichhaltige Beweise.

Das beeinflusst. Auch weil Jespersen lange Jahre dänische Sozialministerin und Innenministerin war. Sie hat in der dänischen Regierung die Einwanderungspolitik immer mehr kritisiert. Und dieser Kritik (Ich will nicht bewerten, ob berechtigt oder nicht) verleiht sie mit ihrer Publikation eine laute Stimme.

Ihr Mann, Ralf Pittelkow, ist Journalist und war fast 20 Jahre lang politischer Kommentator der dänischen Zeitung „Morgenavisen Jyllands-Posten“ und nebenher Berater des früheren dänischen Ministerpräsidenten Rasmussen. Beide haben großen Einfluss. Und wenn die solche Themen lancieren, kann so etwas schon mal zum Selbstläufer werden.

Was lernen wir daraus?

Nur ganz kurz, weil der Artikel schon wieder ziemlich lang geworden ist: Solche Themen gibt es sicherlich. Ob nun in dem Maße, muss man von Fall zu Fall sehen. Ja, Samuelsson kritisiert Göteborg. Und ja, vielleicht gibt es ja Probleme mit Zuwanderern. Aber die skizzierten Zustände, von denen Populisten da schwatzen, existieren schlichtweg nicht.

Aus diesem Grund empfehle ich immer wieder, sich Informationen aus verschiedenen Quellen zu beschaffen und diese auch zu bewerten. Es bringt niemandem etwas, die Dinge nicht zu hinterfragen. Lesen, Verstehen, Schlüsse ziehen. Nur in dieser Reihenfolge kann es funktionieren. Dann haben solche alternativen Fakten auch keine Chance. Egal, aus welchem Medium.

11 Replies to “Volvo und die Medien: Was ist denn da los?”

  1. Ich fand diesen Artikel (https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2019/05/24/der-geschichtenerzaehler-beim-gatestone-institute-entstehen-falschmeldungen-die-bis-nach-deutschland-wandern) dazu interessant. Dort kommt auch das Gatestone – Institut vor, das gerade über Schweden Horrornachrichten verbreitet hatte, die im rechten Lager die Runde machten. Dort wird auf diese Art von „Nachrichten“ gewartet. Selbst längst als Falschmeldungen enttarnte Artikel werden immer wieder neu verbreitet. Ein Kreuz ist das.

  2. Nun kam in dem Artikel Volvo dann doch zu kurz.

    Fakt ist Volvo baut um, und trennt sich komplett vom Verbrennungsmotor. Was auch bedeutet, dass bestimmte Technologiebereiche im Konzern nicht mehr gebraucht werden. Diese werden logischerweise abgewickelt. Für Leihen kann dass zu Fehlschlüssen führen. Fehlinterpretationen lassen sich auch thematisch missbrauchen.
    Mangelhaftes Wissen über schwedische Strukturen und Statistiken lassen weitere Fehlschlüsse zu.

    1. Ich frage mich, was du in dem Artikel gelesen hast. Denn in ihm geht es um das, was in Göteborg passiert, was Samuelsson gesagt hat und was die Populisten daraus machen. Das hatte nichts, aber auch gar nichts mit Umwälzungen im Technologiebereich zu tun.

      Und Volvo ist hier auch nur ein Beispiel. Nehmen wir eine beliebige andere Firma in einer beliebigen Stadt auf der Welt. Nehmen wir BMW in München oder meinetwegen Nokia in Espoo: Wenn deren Konzernchef anfängt, die Umstände in der Stadt zu beklagen, in der sich der Hauptsitz befindet, und irgendein Populist bekommt davon Wind, dann schlachtet der das auch aus.

      Darauf wollte ich hinweisen. Nicht etwa darauf, dass sich die Volvo Car Group, nicht etwa der Nutzfahrzeughersteller Volvo, neu erfinden muss, weil die schwedische Regierung ohne Rücksicht auf Verluste den Verbrenner verbieten will.

  3. Sehr geehrter Herr Uhle,

    Sie fordern exakte Recherche und sind selbst nicht in der Lage einen Text korrekt zu entziffern.

    Es handelt sich bei dem Text – wie jedermann, der ein wirkliches Erkenntnisinteresse hat deutlich sein sollte – um eine Komplettübersetzung des Beitrages von Karen Jespersen und Ralf Pittelkow, zwei eminenten dänischen Politikern und Wissenschaftlern. Pittelkow ist übrigens viele Jahre Marxist gewesen und hat die dänische Literaturwissenschaft mitgeprägt. Beide interpretieren einen Artikel aus den Zeitschriften „SvD Näringsliv“ (https://www.svd.se/volvochefen-om-bristen-hur-sjutton-ska-vi-gora) und svt Nyheter (https://www.svt.se/nyheter/lokalt/vast/volvochef-kritiserade-goteborg-far-svar-pa-tal)

    Sie können diese beiden Artikel lesen und mit den Schlußfolgerungen von Jespersen/Pittelkow vergleichen – ich habe das getan und keine Diskrepanz gefunden, weshalb ich den Beitrag als von allgemeinem Interesse erachtete. Ob freilich Håkan Samuelsson, der Hauptgeschäftsführer der Volvo Car Corporation irrt in seiner Einschätzung, das entzieht sich unserer Kenntnis.

    Unabhängig davon kann von „„Seidwalk“ fabuliert in den eigenen Artikel hinein“und „Und „Seidwalk“ schreibt, dass sich Volvo angeblich dazu gezwungen sieht, Schweden zu verlassen.“ und dergleichen, keine Rede sein, weil es – wie gesagt – eine Eins zu Eins Übersetzung ist und ich außer dieser Übersetzung kein einziges eigenes Wort beigesteuert habe, sieht man von den einleitenden Worten ab. Eine genaue Lektüre hätte Ihnen das sofort erkennbar gemacht.

    Es stimmt desweiteren nicht, daß meine Webseite ohne Impressum, Kontaktdaten und Name wäre – alles befindet sich dort, wo es hingehört … man muß nur draufklicken.

    Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer aufklärerischen Arbeit – das eint uns – und hoffe, daß sie diese in Zukunft offen und ohne Scheuklappen tätigen.

    MfG
    Seidwalk

  4. Mein lieber Uhle, danke, dass Sie hier eine Klarstellung zur vermeintlichen Causa Volvo/ Göteborg vorgenommen haben. Eventuell können Sie Ihre Berichterstattung noch erweitern, denn das Schweden-Bashing in jüngerer Zeit geht doch zu weit. Ständig ist von der Vergewaltigungshochburg Schweden und bestimmten Tätergruppen die Rede. Hier wird m.E. überzeichnet. Anderes Beispiel: Schweden sei spätestens in 30 Jahren auf dem Level eines Entwicklungslandes. Na ja. Ich war in Malmö, ich war in Göteborg, und kann Ihnen definitiv versichern: Keinesfalls wird hier die Lebensqualität etwa in Duisburg-Marxloh, Dortmund-Nord, Pforzheim (Tal) oder Neuperlach unterschritten. Gruß. Henze.

  5. Erst einmal muss ich Herrn oder Frau Henze zustimmen, die Lebensqualität in Schweden liegt definitiv höher als die von Deutschland.

    Kurz die Thematik erklärt: was dort passiert ist nichts weiter als eine andere Form von Lobbyismus es geht um Politik um nichts anderes, in einem Land voller Transparenz kann man Nichts im verdeckten machen also muss man es vor aller Welt betreiben.
    Vor einigen Monaten hatten wir ja selbiges schon einmal mit Spotify gehabt die einen offenen Brief an die schwedische Regierung geschrieben haben.

    Was genau passiert hier(?) hier eine kleine Analogie:
    Die Rechten sagen es gibt zu viel Kriminalität dann kommt Volvo und meint, wenn es gibt zu viel Kriminalität gibt dann müssen wir ja darüber nachdenken das Land zu verlassen – dann kommen die Rechten wieder, seht ihr Volvo will sogar das Land verlassen also muss es doch stimmen was dir sagen, es gibt so viel Kriminalität.

    Es gibt sogar Statistiken die das augenscheinlich bestätigen, doch Zahlen sind nicht gleich Zahlen. Gegenüberstehende Zahlen können eine ganz andere Grundlage haben und selbst die Grundlage selber kann sich wiederum auch von Zeit zu Zeit verändern … wenn man das alles nicht beachtet kann man schon auf solche Zahlen hereinfallen.

    1. Um was geht es Volvo eigentlich(?) da brauchen wir gar nicht so weit gucken, denn die Gründe für solches Handeln von Firmen sind dort und bei uns immer dieselben es geht um billige Fachkräfte mit der Betonung auf billige.

      Schaut man sich das Interview mit Håkan samuelsen an liest man heraus, er schreit nach Ingenieuren.

      Einen Ingenieur nach Schweden zu locken das ist nicht schwer denn diese haben sehr gute Löhne und Vergünstigungen bei den Steuern sie bekommen sehr gute Wohnungs-Angebote in sicheren Stadtteilen, das Angebot dafür ist auch groß und exorbitant gut.

      Den Mangel aber den samuelsen beschreibt würde auf diese Ingenieure überhaupt nicht zu treffen sondern auf eine ganz andere Gruppe. Und dies wäre eine Gruppe die wir in Deutschland als prekär längst einsortieren. (als prekär bezeichnen wir in Deutschland mittlerweile alle die weniger als 2000 brutto haben in Schweden wäre das bei weniger von 2500 brutto). Schweden hat quasi einen Mangel an billigen Arbeitskräften aber das kennen wir ja das ist ja in Deutschland dasselbe Problem.

      1. schauen wir uns eine weitere Analogie zwischen Deutschland und Schweden und was weiß ich welchen Land noch an.

        Sowie mir von mehreren Seiten bestätigt wurde sind bei der Suche nach Arbeitnehmern immer diejenigen die am lautesten schreien gleichzeitig diejenigen die am wenigsten Not haben Arbeitskräfte zu finden.

        Sie erzeugen eine fiktive Note damit andere für sie handeln so ist es das Jobcenter in Deutschland das dafür sorgt dass diese Firmen auch billige Arbeitskräfte bekommen.

        Wären die Verhältnisse in Schweden tatsächlich so verheerend wie sie dargestellt werden dann dürften nicht die großen Firmen jene sein die am lautesten schreien sondern die ganzen kleinen vielen Unternehmen die unter dieser Last unter dieser angeblichen Last zusammenbrechen würden. Doch das Wirtschaftssystem in Schweden ist gerade darauf ausgerichtet kleinen und mittelständischen vor allen aber auch Jungen Startups unter die Arme zu greifen und sie zu entlasten es ist quasi auf Sie abgestimmt. Klar haben da natürlich große Konzerne ein wenig das Nachsehen.

        Heute ist Schweden eines der Länder die pro Jahr die meisten Startups gründen, da bereits schon jeder Gymnasialschüler in der Gymnasialzeit laut Lehrplan sein Startup gründen kann.

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