Wertschätzung hat nicht immer mit Geld zu tun

Gerade wird viel darüber erzählt, wie viel Arbeit eigentlich wert ist. Aber oft wird dabei ein wichtiger Aspekt vergessen: Was ist denn mit der Wertschätzung? Wie ich es in der Überschrift bereits angedeutet habe: Das hat nicht immer irgendwas mit dem zu tun, was zwischen Daumen und Zeigefinger abgeht. Wie viel einem Arbeitgeber ein Mitarbeiter wert ist, kann auch ganz anders bemessen werden: Nämlich darin, wie sehr es dem Arbeitgeber egal ist, wie wohl sich ein Mitarbeiter fühlt. Und dazu möchte ich mal eben etwas aufschreiben.

Wer definiert denn wie die Wertschätzung?

Ja, natürlich kann ich hergehen und sagen: „He, Chef, XYZ macht viel weniger als ich, wieso bekommt der genau so viel wie ich?“ – Aber kann ich das wirklich behaupten? Woher soll ich denn wissen, wie viel ein Kollege an Gehalt bekommt? Das ist ja in vielen Unternehmen Verhandlungssache. Es ist rein ein Gefühl, dass das so ist. Aber wissen kann ich das nicht. Also wie kann ich dann darauf aufmerksam machen, dass mir die Wertschätzung meines Chefs fehlt? Naja, indem ich diese definiere.

Und da mache ich es mir einfach. Wertschätzung hat viel mit Achtung und Respekt zu tun. Wenn über irgendwen erzählt wird, dass XYZ sich gewertschätzt fühlt, meint das, dass XYZ spürt, dass sie oder er respektiert wird. Und zwar auch und ganz besonders vom Chef. Fehlt die, kann das ganz schnell böse enden. Vor Jahren schrieb ich mal über das Bossing. Am Ende muss ich halt sagen: Wenn der Chef zu dieser Waffe greifen muss, hat er einen ganz besonders kleinen Pimmel.

Also so liest man das zumindest immer wieder. Wer so etwas macht, kompensiert damit sein eigenes zu geringes Selbstvertrauen. Klingt komisch, scheint aber so zu sein. Insofern ist Wertschätzung immens wichtig. Ob es privat, beruflich, im Sport oder sonstwo ist: Wer nicht die Anerkennung genießt, ein wertvoller Teil der Gruppe zu sein, fühlt sich ausgestoßen und minderwertig. Aber so weit muss es ja nicht kommen, wenn man sich das so überlegt.

…aber die bekommen doch so viel Geld!

Gerade schwappt die Diskussion rund um Bayern-Profi Niklas Süle in die Welt. Der wird den deutschen Rekordmeister am Ende der Saison ablösefrei verlassen. Ja, der verdient dort eine ganze Menge Geld, wohl auch nicht ohne Grund. Aber reicht das immer? Es geht dabei nicht darum, dass dort jede Menge Millionäre spielen. Auch Süle gehört dazu. Es geht aber nicht immer um die Kohle. Es geht auch darum, dass anerkannt wird, was man so leistet. Und da hat der Spieler seine Zweifel.

Der hat sich nach zwei Kreuzbandrissen, so heißt es, ins Team gearbeitet. Nun heißt es, dass es eben nie gewürdigt wurde, wie er sich während der gesamten Zeit verhalten hatte und wie er zurückgekommen ist. Er gilt wohl auch als sehr umsichtiger Mitspieler und alles mögliche. Eine Gegenleistung über sein Gehalt hinaus hatte er dabei aber nie erhalten. So in der Art eines Schulterklopfens oder so etwas. Es sind ja die kleinen Gesten. Und da fühlt er sich im Club nun einmal nicht wohl und geht.

Ja, ich weiß schon: Die sollen sich mal nicht so haben, die bekommen schließlich genug Kohle. Aber ich schrieb ja bereits: Das ist selten der Grund für so einen Schritt. Ich kenne jede Menge Menschen, die ihre Jobs gewechselt haben. Nicht, weil sie woanders mehr verdienen. Sondern weil der bisherige Chef so gewirkt hatte, als sei es ihm egal, wie es mental beim Mitarbeiter aussieht. Ganz ehrlich: Das kann ich unterm Strich alles verstehen. Ich würde es nicht anders machen. Wertschätzung hat so ihren Platz im Leben.

Der Mensch hat Bedürfnisse

Zu den essentiellen Bedürfnissen eines Menschen gehört eben auch die Anerkennung und Wertschätzung. Wer so manche Arbeitnehmer hört, bekommt mit, dass die Wertschätzung von der Arbeitgeberseite her immer nur „Gehaltserhöhung“ lautet. Diese zählt zu den Grundbedürfnissen, da ich mir mit Gehalt das Stück Butter halt leisten kann. Aber ist der Job sicher? Wie sind die Kollegen? Wird anerkannt, was ich mache? Das spielt in vielen Unternehmen halt eine untergeordnete Rolle.

Nehmen wir mal an, eure Firma oder Abteilung ist ein kleiner, wilder Haufen. Der muss aufgrund geänderter Bedingungen neu erfunden werden. Wie sollte das am besten gehen? Indem auf alle, also auch auf die Mitläufer, Rücksicht genommen wird? Oder soll der Chef lieber sagen: „He, ABC, du hast immer nen geilen Job gemacht, und ich kann mich immer auf dich verlassen. Ich würde es großartig finden, wenn du mitmachst.“

Ja, ich weiß schon, das ist alles etwas kurz gesprungen. Denn die Welt ist nun einmal anders. Aber gerade, wenn man sich in einem Haifischbecken befindet, in dem einem immer ein Bein abgebissen werden könnte, braucht man nun mal Leute, auf die man sich verlassen kann. Und bei denen sollte man die Energie lassen. Nicht bei den Mitläufern. Ja, ein kluges Pferd springt nur so hoch, wie es muss. Aber dann verlernt es irgendwann, über die richtig hohe Mauer zu springen.

Es ist halt so ein Ding

Meine Frau kommt immer mal mit klugen Sätzen um die Ecke. Einer davon lautet: „Kein Arbeitgeber sollte sich sicher sein, dass ein Mitarbeiter ewig bleibt“. Arbeitgeber müssen sich in meinen Augen die Mitarbeiter verdienen. Und das können sie eben nur, indem sie den Mitarbeitern, die sich reinknien, auch mit Lob kommen, sie positiv erwähnen, kurz: Wertschätzung. Das ist für viele Menschen einfach mal wichtig. Also über die ortsübliche Bezahlung innerhalb der Branche hinaus.

Hier steht es einmal ganz genau, wie das mit der Wertschätzung geht. Weiß euer Chef denn, wie es bei euch privat aussieht oder welche Hobbys ihr habt? Weiß der, ob ihr vielleicht etwas anders drauf wart, weil ihr eine Scheißzeit hinter euch habt? Habt ihr manchmal eine Prüfung verschoben, weil eure mentale Gesundheit es anders nicht zugelassen hat? Und wie war die Reaktion eures Chefs? Hat der gesagt, dass das kein Problem ist? Oder hat der eher darauf gedrängt, es dennoch zu versuchen?

Das mit der mentalen Gesundheit ist so ein Ding. Wer sich aus einem Loch wieder heraus kämpft, der verdient schon mal per se Anerkennung. Die Wertschätzung, sich aus einer Scheißzeit heraus zu arbeiten, darf gar nicht hoch genug sein. Gibt es dann ein Mitarbeitergespräch, ist das die exakt einzige Chance für den Chef, diese Leistung anzuerkennen. Diese eine Chance hat er, sonst keine. Vorgesetzte sollten solche Chancen nie ungenutzt verstreichen lassen. Sie kommen womöglich nie wieder.

Geld ist längst nicht alles

Zufriedenheit ist so immens wichtig. Wenn ich weiß, dass mein Chef mit meiner Arbeit zufrieden ist, ist das für mich wichtig. Aber dass ich davon erfahre, ist sein gottverdammter Job. Im Gegenzug darf er mir auch die Hammelbeine langziehen, wenn ich mal Mist gebaut habe. Direktes Feedback nennt sich das. Ich hatte mal einen Chef, von dem hast du immer und sofort direkt Feedback bekommen. Das war zwar bei Fehlern eine Katastrophe, bei Erfolgen aber super. Und man wusste direkt, wo man stand.

Nein, Geld ist bei weitem nicht alles. Das war es übrigens noch nie. Wenn ich mich umschaue, was so in meiner Branche gezahlt wird, dann stehe ich gar nicht so schlecht da. Wenn ich mich also nach einem neuen Job umschauen würde, würde das einzig und allein deshalb passieren, weil es mir an Wertschätzung fehlt. Man reißt sich im wahrsten Sinne des Wortes den Arsch auf. Dann will man das auch mal vom Chef anerkannt bekommen. Niemand macht irgendwas wegen der Selbstverständlichkeit.

Ihr kennt ja alle den Begriff „Mitarbeiterzufriedenheit“. Es gibt unfassbar viele Unternehmen, die darüber regelmäßig Umfragen an die Mitarbeiter raushauen. Die Frage ist dann aber, ob die Unternehmen dann daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Wenn es darum geht, dass man sich mehrheitlich nicht verstanden fühlt, hilft es eben nicht, wenn der Arbeitgeber eine Schale Obst hinstellt. Das ist dann so eine Art Wertschätzung für die Tonne.

Mein Fazit

Arbeitgeber müssen in meinen Augen sehr viel mehr auf Mitarbeiter eingehen. Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel muss sich niemand wundern, wenn die besten Leute einfach abwandern. Das machen sie aber seltener wegen des Geldes. Sondern sie machen das häufig deshalb, weil sie die Wertschätzung für die geleistete Arbeit vermissen. Mir ist es viel lieber, wenn der direkte Vorgesetzte mir direkt sagt, was gut oder schlecht ist, mich lobt und tadelt, als dass irgendein allgemeines „Laber-Rhabarber“ abgehalten wird.

Wertschätzung hat enorm viel mit Ernstnehmen zu tun. Und deshalb müssen so viele Arbeitgeber da nachlegen. Mir ist klar, dass das sehr lange dauern kann. Aber ich weiß eben auch, dass das auf den eigentlichen direkten Vorgesetzten bezogen ist. Wie kommt es denn sonst, dass in ein und demselben Unternehmen in Abteilung A die Mitarbeiter ernst genommen werden und in Abteilung B nicht wissen, wo sie stehen?

Wie gesagt: Kein Unternehmen kann sich seiner Mitarbeiter sicher sein. Arbeitgeber müssen sich in heutigen Zeiten viel mehr strecken als noch vor einigen Jahren, um gute Leute zu halten. Das geht nur durch Wertschätzung. Das Gehalt verhandeln auch die besten Leute nur zu einem gewissen Maße. Also nehmt eure Leute für voll, sie zahlen es euch doppelt und dreifach zurück.

4 Replies to “Wertschätzung hat nicht immer mit Geld zu tun”

  1. Wertschätzung ist keine Einbahnstraße.
    Wer Wertschätzung von seinen Mitmenschen verlangt, muss sie erst mal genau diesen entgegen bringen. Wenn es dann immernoch nix wird mit der ganzen Anerkennung, kann man sich überlegen, ob man die Konsequenzen zieht.
    LG
    Sabiene

    1. So ist es. Ich sehe das exakt genau so. Ich glaube, wenn die Anerkennung in keinster Weise gewürdigt wird, wird man das erstmal wieder einstellen. Aber dann muss es irgendwann mal Konsequenzen geben.

  2. Mir waren schon früher Firmen suspekt, bei denen im Arbeitsvertrag stand „über das Gehalt ist stillschweigen zu bewahren“ – für mich war klar, dass hier schon vom ersten Tag an Mitarbeiter über den Tisch gezogen werden. So ein Passus ist das Zeichen dafür, dass Gehälter nicht fair sind, sondern man versucht Mitarbeiter unter Preis einzukaufen. Absolutes NoGo! Häufig stehen dafür ja in Stellenanzeigen so Boni wie Firmenfahrrad, Früchtekörbe – sogar Dinge wie eine tolle Aussicht auf den Rhein habe ich schon gesehen. Klar, der Chef will eine repräsentative Adresse für seine Kunden und verkauft das eigene Bedürfnis als Bonus an die Mitarbeiter. Und Früchtekörbe und ähnliches Zeug lässt sich ja gut steuerlich abschreiben – sind ja Sachkosten. Personalkosten nicht. Aber wenn ich so viel Zeit habe während der Arbeit eine Sightseeing-Tour aus dem Fenster zu machen, habe ich mich da nach einer Woche dran satt gesehen – und dann würde ich mich auch grundsätzlich fragen, was ich in der Firma machen soll?. Diese ganzen „Nullwert-Boni“ machen mich nicht reicher.. Leider hat mich der Kapitalismus verdorben: ich will nur ’ne Menge Kohle verdienen – dafür sitze ich auch gern in einem dunklen Kellerloch, kauf mir meinen Kaffee selber und brauch kein Schwätzchen im hauseigenen Fitnessstudio mit den Kollegen zu halten.
    Wertschätzung beginnt und endet bei mir beim Gehalt – das ist für mich die einzige Kenngröße. Jüngere Arbeitnehmer legen vielleicht mehr Wert auf dieses Work-Life Balance Zeug – ich bin dazu zu materialistisch.. ;-)
    CU
    P.

    1. Mein Lieber, das sei dir auch unbenommen. Für mich war es immer wichtig, auch mal irgendein Feedback zu bekommen. Deshalb kann ich da die Unzufriedenheit vieler verstehen, die aufgrund des fehlenden Feedbacks sich einen schlanken Fuß machen.
      Da ich keine Ambitionen auf Umziehen habe, habe ich mir mal den Arbeitsmarkt hier in der Region angeschaut. So rein interessehalber. Und da erkennt man, dass die Alternativen auch nur mit Wasser kochen und keine größeren Geldhaufen auf die Mitarbeiter werfen. Wenn du also einen Wechsel machen willst, dann kann das nur über die ganzen weichen Faktoren gehen.
      Ich glaube schon, dass das immer wichtiger wird. Ich kann aber nicht beurteilen, wie groß der Anteil derer ist, für die die Softskills des Vorgesetzten das Zünglein an der Waage sind.

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