Und dann verhob man sich am Ur

Es gibt wohl niemanden, der in seinem Leben noch nie das Ur gehoben hat. Das ist jenes possierliche Tierchen, von dem man behauptet, dass es vor der Ausrottung stünde, weil es gejagt und erlegt werden solle. Urschützer und Urjäger besonnen sich aber eines besseren und machen nun Jagd aufeinander. Wahrscheinlich, weil man sich am Ur verhob, weil man sein Wesen nicht verstand.

Von Krimiautoren, die sich trotz GEZ-Einnahmen in der Existenz bedroht fühlen, habe ich schon geschrieben. Von Rammstein, die „Wir sind die Urheber“ mit unterschrieben haben, weiß die Welt. Nur kommt die Schriftstellerin Sybille Lewitscharoff um die Ecke, die etwas ganz grandioses vom Stapel lässt. Man ist geneigt, laut auszurufen: Ach, hätte sie doch bloß geschwiegen!

Sie verfasst Plattenkritiken und bezieht sich auf die großen Literaten der deutschen Kunstgeschichte. Und sie schreibt im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen [1] davon, dass alle Welt die künstlerische und geistige Tätigkeit verachten würde. Man würde die Berufsgruppen, die sich darum versammeln, ignorieren. Ma würde das Urheberrecht angreifen und damit Lektoren, Redakteure, Toningenieure und dergleichen treffen. Ach ja, nicht zu vergessen: Die Sekretärinnen der Marketingabteilungen oder die Drucker und Händler.

Und dann behauptet sie, dass „eine bestimmte Partei“ fordern würde, bestimmte Güter frei verfügbar zu machen. Frau Lewitscharoff meint natürlich die Piraten und als Güter das Kulturgut. Gewissermaßen die „gewissen Personen“, die „gewisse Dinge“ wollen. Und diese gewissen Dinge vermischt sie gekonnt, indem sie davon schwadroniert, dass geldloser Transfer kommen würde, der Existenzen auslöscht. Und sie schreibt davon, dass diese angebliche Forderung von solchen kommen würde, die selbst keine Ahnung von der Materie hätten.

Und genau dies ist ja mehrfach schon widerlegt worden. Und zwar von den – wie sie meint – „Angreifern“ höchst persönlich. Nein, das sind nicht die Hacker, Anonymous, Filesharer und dergleichen. Das sind freie Autoren, Musiker, die erfolgreich in der Selbstvermarktung tätig sind. Und dergleichen mehr.

Die Autorin des Artikels in der FAZ verholpert sich dann darin darin, dass die Arbeit von Autoren verhöhnt werden würde. Man würde nicht wissen, wie viel Arbeit im Verfassen eines Romans steckt. Und dann würde nicht mal genug bei rum kommen, so schmal sind die Margen. Und zum Ende des Artikels kommt sie mit dem allerbesten Totschlagsargument, um sich komplett in dieser Diskussion lächerlich zu machen:

Nur was uns eine gewisse Mühe abverlangt oder eben Geld kostet, das ehren wir. Was uns kostenfrei mir nichts, dir nichts ins Haus trudelt, was wir nicht ersehnen, wofür wir nicht die mindeste Anstrengung auf uns nehmen müssen, um es zu bekommen, dafür hegen wir keinen Respekt.

Entschuldigung, wenn ich das mal so verkünde: Meine Tochter bastelt mir gern etwas oder mal mir ein Bild. Es steht kein Copyright drauf. Es kostet mich nichts. Aber ich hebe alles auf und betrachte es immer wieder voller Stolz. Was ich damit sagen will: Es muss nicht alles Geld kosten, was man in Ehren halten möchte.

Es ist müßig, darüber zu schwadronieren. Es sollte klar sein, dass die Verfasserin weitab jenseits jeglicher Realität vor sich hin philosophiert hat. Man kann nur hoffen, dass es nicht allzu viele Leute gibt, die so etwas gelesen haben. Was in diesem Machwerk offenkundig wird, ist die traurige Tatsache, dass sie sich leider nicht mit den Argumenten der vermeintlichen Gegenseite beschäftigt hat.

Die Gegenseite, das sind nicht die Hacker, die Filesharer, die Supermarktdiebe. Das, was sie hier als Gegenseite entlarvt, ist der Teil der Bevölkerung und des politischen Systems, der das Urheberrecht reformieren will und nur auf solche Salven trifft. Es soll keineswegs abgeschafft werden. Es soll an die neue Zeit angepasst werden. Wie las ich dazu heute irgendwo? Mit einem reformierten Urheberrecht wird es sich auch künftig lohnen können, Bücher zu schreiben, Musik zu komponieren, Filme zu drehen, Bilder zu malen oder zu fotografieren.

Dazu müsste allerdings jeder der Streihähne mal seinen Hintern hoch hieven und auf den anderen zugehen. Das würde uns nämlich vor solchen unreflektierten Aussagen wie der von Frau Lewitscharoff bewahren. Ein wenig anders geht ein unerkannt bleiben wollender Urheber namens „maukenring“ mit der Diskussion ums Urheberrecht um. Sein Beitrag [2] führt zwar auch ins nichts, aber wenigstens mit wippendem Schritt.

Bevor also noch mehr Unfug verbreitet wird, nur um den Ur zu heben, sollte man sich mal mit kühlem Sachverstand an einen Tisch setzen und reden.

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