Ohne Worte – So geht das nicht

Beatrice Egli kam vor fast 10 Jahren mal mit so einem Liedchen namens „Ohne Worte“ um die Kurve. Und mir fehlen eben diese auch gerade. Das ist schlecht für jemanden, der einen Blog vollschreibt. Was war denn da bitteschön bei der Europawahl los? Gibt es nur noch Nazis in ganz Europa? Ich will und kann das ehrlich gesagt gar nicht glauben. Mir fällt dazu eigentlich nur ein: Da stehst du da mit runtergelassener Hose und nem Stück Watte im Ohr. Ja, ergibt keinen Sinn, aber genau so ist das ja auch gedacht.

Der Uhle mal ohne Worte?

Da denkst du jahrelang: Wenn es die alten und mutmaßlich abgehängten schon versauen und den rechtsradikalen bis rechtsextremen Laden wählen, dann müssen es halt die jüngeren richten, da die ja progressiver denken. Tja, falsch gedacht. Die blaue Partei mit ihrem roten Pfeil wurde ausgerechnet bei den Erstwählern besonders stark gewählt. Was willst du denn dazu sagen? Nein, die Wähler sind nicht alle bescheuert, packt das Argument bitte gleich wieder ein.

Jedenfalls musst du dann als Blogger deine Gedanken sortieren. Was ist denn da passiert? Und da mache ich halt einfach mal wenig Aufriss. Die AFD hat knapp 1,2 Millionen Stimmen von Union und SPD eingesammelt, nochmal knapp eine halbe Million von der FDP. Das heißt doch aber: Niemand, der bisher regierte, hat in den Augen der Wähler das Zeug dazu, die Fragen der Zukunft zu lösen. Nein, die AFD hat das auch nicht. Aber ich habe keine Worte, die es anders beschreiben.

Ach ja, beim Wagenknecht-Verein sieht es fast genau so aus, nur dass dieser Laden auch eine halbe Million von der Linkspartei eingesammelt hat. Das ist doch noch dazu eine Bestätigung dafür, dass Wähler davon überzeugt sind, dass es die bisherigen einfach nicht können. Ihr könnt ja mal hier Statistiken angucken. Und dann sagt ihr mir, ob ihr das ähnlich seht. Oder seid ihr auch ohne Worte?

Das haben sie sich selbst zuzuschreiben

Nein, das ist hier keine Wahlanalyse. Ich will nur für mich das Alles einsortieren und mich darüber austauschen. Das macht man als Blogger so. Am Ende ist das Ergebnis der Europawahl das Resultat dessen, was die Bundespolitik so treibt. Ob Alice Weidel Recht hat, dass die Deutschen lieber weiter Verbrenner statt E-Auto fahren wollen, weiß ich nicht. Klar ist doch aber, dass sich viele fragen, wohin das mit den Waffenlieferungen in die Ukraine und so noch führen soll. Gibt es keine Alternative?

Und man zeigt mal wieder auf den Osten. Leute, glaubt es mir, ich bin auch erschrocken, wie stark die AFD im Osten ist. Selbst in Leipzig. Bei der Europawahl wurde sie stärkste Kraft, aber bei der Stadtratswahl die Nummer 3. Bei letzterer spielt sie im links dominierten Süden der Stadt und in der Innenstadt gar keine und in den Wohlfühlbezirken wie meiner Hood oder dem Südosten nur eine kleine Rolle. Aber auch in anderen Teilen der Stadt sind es nicht einfach nur Nazis, die sie wählen.

Nein, die Unzufriedenheit mit der Bundespolitik ist riesig. Nach dem Umgang mit der Pandemie (Union) und mit den Kriegen auf der Welt (SPD / Grüne / FDP) trauen es viele Menschen den etablierten Parteien einfach nicht mehr zu, die Fragen der Zeit zu beantworten. Aber deshalb die AFD wählen? Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Ich hocke seit Sonntagabend komplett ohne Worte vor den Wahlergebnissen.

Ich denke halt einfach, dass sich diesen Einbruch bei den Ergebnissen die vier genannten Parteien selbst zuzuschreiben haben. Die „Ampel“ verliert sich im Kleinklein, und die Union hat es 16 Jahre unter Angela Merkel nicht hingebogen, das Land zukunftsfähig zu machen. Ja, die AFD hat auch keinerlei Rezept, und beim BSW weiß man erst gar nicht, was man bekommt. Aber es sind halt andere, die mit ehemaligen Bundesregierungen nichts zu tun haben. Das ist meine Erklärung dafür.

Aber Europa!1!elf!

Ja, ich weiß, ganz Europa ist nach rechts gerückt. In Frankreich hat Macron gleich mal Neuwahlen ausgerufen. Quasi durch ganz Europa zieht sich das Ergebnis, dass progressive Kräfte wie Liberale und Grüne ganz derbe auf die Nase bekommen haben und mehr EU-Skeptiker, Nationalisten und Rechtspopulisten gewählt wurden als beim letzten Mal. Bedeutet das, dass es in ganz Europa z.B. die Grünen übertrieben haben mit ihrer Politik des erhobenen Zeigefingers?

Nein, ich glaube, dass es in großem Maße tatsächlich an den Kriegen liegt und wie sich die EU dazu verhält. Deshalb hat ja auch so eine Partei wie VoLT Europe auf niedrigem Niveau gewaltig zugelegt. Aber auch für diese Partei gilt: Sie hat noch nie regiert, kann es also bisher nicht versaut haben. Am Ende müssen die vier oben genannten Parteien, die quasi immer in Deutschland irgendwie regiert haben, ganz klar erkennen: Sie haben am Volk vorbei regiert, vor allem aber die „Ampel“.

Vermutlich ist das auch anderswo in Europa so gewesen. Und wie das eben immer so ist: Wenn es Parteien über eine lange Zeit nicht hinbekommen, die Probleme der Menschen ernst zu nehmen und zu lösen, wenden die sich irgendwann anderen Parteien zu. Wie gesagt: AFD und BSW haben auch keine Konzepte und Lösungen für die Menschen, aber wie VoLT haben die noch nie regiert. Und das ist meiner Meinung nach der Grund für das Ergebnis.

Und ich stehe eben auch ohne Worte in der Landschaft rum, wenn ich sehe, wie die vier genannten Parteien auf die Resultate reagieren. Sie dürfen sich ehrlich gesagt nicht wundern, wenn bei kommenden Wahlen die Ergebnisse noch schlimmer werden. Gerade im September stehen Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen an, bei denen sich die Wähler gar nichts mehr erzählen lassen wollen. Und ich glaube, hier fehlen allen vier Parteien die Konzepte, was man denn da machen will.

4 Replies to “Ohne Worte – So geht das nicht”

  1. Die großen Parteien haben auf ganzer Linie versagt. Ich kann und will gerade die jungen Stimmen für die AfD gar nicht in Schutz nehmen. Ich kann aber gerade die Motive der Jungwähler*Innen zu einem gewissen Grad verstehen. Während der Corona-Pandemie wurde ihnen, während die Eltern im Homeoffice waren, vorgeschrieben in die Schule zu gehen. Sie mussten in Präsenz im Unterricht sein, aber eine ordentliche Abschlussfeier oder ein Abi-Gag war verboten. Die jungen Leute haben gemerkt, dass sie der Regierung, egal ob SPD oder CDU, einen Fick bedeuten.

    Dann kommt eine AfD, die behauptet, dass die Regierung hoffnungslos übertreibt.

    Das sind junge Leute, die einfach nur ihre Freiheit und ihr Leben genießen wollte. Die Tatsache, dass die „Altparteien“ Social Media komplett ignorieren und – wenn überhaupt – schlecht nutzen, während die AfD das Game komplett verstanden hat, kommt dann noch erschwerend hinzu.

    Das alles rechtfertigt keine Wahl der blaubraunen Brühe und trotzdem kann ich die Wut irgendwo nachvollziehen. „Ihr habt uns im Stich gelassen“ ist nur eine Argumentation und was das betrifft, haben die Jungwähler*Innen komplett recht.

    Sonntag war ich schockiert. Aber ich war auch schockiert, als ich das Sylt-Video gesehen habe. Und wie beim Syltvideo auch, war ich weniger schockiert, weil die Vergewaltigung von Gigi D’Agostinos Song eben nicht das erste Mal auf Sylt passiert ist, sondern schon viele Wochen und Monate früher auf diversen Volksfesten.

    Die alten Wähler sind noch immer in der Struktur Arbeiter=SPD, Chefs=CDU gefangen und würden genau das wählen. Aber auch die sagen: „Nichts wird besser“ – und daher wählen sie das nächst größere.

    Nicht zuletzt: Gerade die ländlichen Regionen haben sehr viel konservativ/rechts gewählt. Auch da haben CDU und AfD viele Leute bei den Bauernprotesten abgeholt.

    Das Problem bei einer „guten“ Regierung ist, dass sie Dinge aufzeigt, die Scheisse laufen, was wiederum Gewohnheitstiere, die wir Menschen nun mal sind, ätzend finden.

    1. Danke für diesen Kommentar. Dem gibt es nichts, aber auch gar nichts hinzuzufügen. Und deine Ansicht deckt sich ein Stück weit mit meiner. Ich habe geschrieben, dass die Menschen denken, dass die bisher an den Regierungsgebilden Beteiligten eben nicht hinbekommen haben. Du hast geschrieben, dass die gleichen Politiker die Menschen im Stich gelassen haben. Das kommt am Ende ziemlich aufs Gleiche hinaus.

  2. ist das wirklich so, daß die leute unzufrieden mit den regierungsparteien sind und deshalb die anderen wählen?
    oder hat es vielleicht ganz andere, unpolitische gründe?

    -vielleicht ein gefühl von selbstwirksamkeit, weil man irgendeine veränderung mitverursacht?
    -vielleicht ein umgehen von Verantwortung, weil man ja keine tatsächlich regierende Partei unterstützt?
    -Angst, schlechte Laune, Lust am Spektakel oder einfach Langeweile?

    ich halte die Leute irgendwie nicht mehr für interessiert genug, als das es politische gründe sein könnten.

    1. Gut, daran kann es natürlich auch liegen. Vielleicht ist es auch irgendeine diabolische Mischung aus allem möglichen, was wir beide aufgezählt haben. Man kann so schlecht in die Menschen reingucken.

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