Staatstrojaner – Hacking außer Rand und Band?

Ich will mich nicht aufregen. Nicht über so eine Sache wie den Staatstrojaner. Aber ich werde nicht umhin kommen. Sorry, aber was bildet sich die Politik ein? Schnell werden die Rufe laut, dass nun jeder noch so unbescholtene Bürger in Deutschland ohne Anlass ausspioniert werden kann. Witzig ist dabei, dass dieser Staatstrojaner von Union und SPD an dem Tag verabschiedet wurde, als bekannt wurde, dass der sächsische Verfassungsschutz den sächsischen Innenminister ausspioniert hatte. Nun ja, schauen wir uns das mal an.

Was genau soll denn der Staatstrojaner sein?

Ein Trojaner ist ein Stück Schadsoftware. Ich erzählte schon mal davon. In dem Artikel hatte ich das damalige Vorhaben zum Staatstrojaner am Wickel. Nun hat die noch amtierende Bundesregierung also eine Neufassung oder so auf den Weg gebracht. Es klingt wie ein ungeheuerliches Vorgehen. Denn mit der Gesetzesnovelle ist es möglich, den Abhörschutz auszuhebeln, wie man hier lesen kann. Das noble Ziel: Man will Extremisten beobachten, bevor sie zu solchen werden.

Aber ist nicht genau das das anlasslose Ausspionieren, vor dem immer gewarnt wird? Und wie ist das mit dem Datenschutz, der ja immer so hoch gehängt wird? Wie sehr kann man eigentlich an den eigenen politischen Ergebnissen scheitern, nur um sich die Arbeit zu vereinfachen? Und das Alles in Zeiten, in denen Ransomware-Angriff um Ransomware-Angriff um die Ecke kommt. Und ganz ehrlich: Wie viel wird man erreichen? Ich glaube, die Ergebnisse werden überschaubar sein.

Man hatte Anis Amri komplett überwacht und dann aus den Augen verloren. Dem Attentäter von Halle hat man in die Unterwäsche geguckt und den Anschlag nicht verhindert. Man hat V-Leute in allen extremistischen Organisationen und bekommt es nicht in den Griff. Aber der Staatstrojaner soll es nun richten. Wer soll das denn bitteschön glauben? Nebenbei bemerkt: Selbstzerstörende Nachrichten in den Plattformen werden sie deshalb trotzdem nicht mitbekommen, egal wie scharf sie den Staatstrojaner einstellen.

Aber wird denn jetzt überhaupt das Abendland untergehen?

Es soll sich nur „um eine sehr überschaubare Zahl von Fällen im Jahr“ handeln, sagt der innenpolitische Sprecher der Union. Das ist doch aber am Ende der kleine Finger. Und wir wissen, wie das mit kleinen Fingern ist. Da folgt schnell die ganze Hand und dann auch der restliche Arm. Das Problem dabei ist, dass die Folgen dieser Überwachungsmöglichkeit unüberschaubare Folgen für den IT-Standort Deutschland nach sich ziehen kann.

Denn einerseits werden Dinge wie Office 365 bis aufs Blut verteufelt. Und andererseits könnte grundsätzlich jeder in Verdacht geraten, weil „Das Wetter ist heute wieder Bombe“ im Chat mit Oma Liese geschrieben wird. In meinen Augen ist das ganze Theater um den Staatstrojaner ein Fiasko für die IT-Sicherheit. Und das Resultat wird wohl sehr ernüchternd sein. Es wäre ja auch nicht das erste Mal, dass so eine Nummer eher so halbgut am Ende ausfällt.

Vielleicht wird nicht unbedingt das Abendland durch den Einsatz des Mechanismus, der Staatstrojaner genannt wird, untergehen. Vertrauen schafft man dadurch jedenfalls nicht. Und ich halte das Ganze auch für einen enorm riskanten Eingriff in die Rechte von Bürgern. Denn mit dem Mechanismus schleust die Politik nun einmal Sicherheitsrisiken in Systeme ein, die ohne den Kram nicht so bestehen würden. Am Ende zahlen die Bürger für angebliche Sicherheit einen enorm hohen Preis.

Das frühere Vorhaben war gescheitert. Und nun versuchen sie es erneut. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies Gerichte nun einfach so durchwinken. Denn ich habe so meine Bachschmerzen, wenn ich an den Staatstrojaner so denke. Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich denke nicht, dass damit auch nur eine Straftat mehr aufgeklärt oder verhindert wird. Warum auch? Die Kriminellen und Extremisten wissen schon, wie sie sich organisieren. Staatstrojaner hin oder her.

One Reply to “Staatstrojaner – Hacking außer Rand und Band?”

  1. Wahrscheinlich läuft der „Staatstrojaner“ eh nur auf Windows-Systemen. :D

    Eigentlich sollte man den Spieß umdrehen und den Völkern Einblick in die nicht privat genutzten Computer ihrer politischen Führer gewähren. Das wäre doch mal ein Vertrauensbeweis.

    LG Patrick

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