Schland: Die WM 2018 ohne Deutschland

Es hat sich ausgeschlandet. Es wird für diesen Sommer keine „Schland“-Rufe mehr geben. #DieMannschaft ist #ZSMMN aus der WM 2018 in Russland ausgeschieden. Und das völlig zurecht. Von früherem Glanz ist irgendwie so gar nichts mehr übrig. So ein lustloses Gebolze wie in Russland habe ich seit Amtsantritt von Bundestrainer Löw noch nicht gesehen. Das macht wenig Lust auf „Schland“. Das Gebolze hat aber auch meiner Meinung nach Gründe.

Schland, oh Schland…

Was war das für eine WM! Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist in der Vorrunde ausgeschieden. Nun gibt es jede Menge Katzenjammer. Dabei war es doch eigentlich vorhersehbar, was da passieren musste. Bis zum 08.10.2017 gewann #DieMannschaft eigentlich alles, was es zu gewinnen gab. „Schland“ wurde allenthalben gerufen. In der Qualifikation besiegte man Norwegen, Tschechien, Nordirland, Aserbaidschan und San Marino.

Einen Monat später begann die Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft. Den Unentschieden gegen England, Frankreich und Spanien folgten Niederlagen gegen Brasilien und Österreich. Und auch gegen den „Fußball-Riesen“ Saudi-Arabien schlug man sich nicht so wirklich gut, obwohl man gewann. Während der Gruppenphase der WM dann eine Niederlage gegen Mexiko, ein mehr als glücklicher Sieg gegen Schweden und die Niederlage gegen Südkorea.

Vom „Schland“ war schon nicht mehr viel übrig, als Joachim Löw mit der Mannschaft nach Watutinki einmarschierte. Keine Wellness-Oase wie in Brasilien, sondern der Charme einer Sportschule. Dennoch gab es Selfies, Werbespots, Selbstbeweihräucherung. Und die „Schland“-Rufe wurden immer leiser, bis sie nach dem Mexiko-Spiel eigentlich komplett verstummten. Auf den Straßen sah man auch ausnehmend wenige beflaggte Fahrzeuge.

Werbespots schaffen keine Identifikation

Wenn Manuel Neuer mit einer Kamera durch die Gebirge kraxelt, regt das ebenso wenig zum Identifizieren an wie Joachim Löw und die Pflegeprodukte. Mir kam es irgendwie schon eine ganze Weile so vor, als wären die meisten Spieler von #ZSMMN einfach nur satt. „Was kostet die Welt?“, schien das Motto zu sein. #DieMannschaft ist ein unerreichbares Marketingprodukt geworden. Aber eben auch nicht mehr.

So, wie es viel mehr Bürger des Landes gibt, die kein Interesse (mehr) für die Nationalmannschaft haben, so haben immer mehr Spieler ebenso wenig Interesse für das Team. Der Auftritt in Russland wirkte wie eine Pflichtveranstaltung, weil man dabei sein musste, da es vertraglich so vereinbart war. So lange die Selfies nicht zu kurz kommen und Werbebotschaften beim gemeinen Volk ankamen, so lang war für die Spieler alles gut.

Das ist nichts, was ein Trainer hätte steuern können. Allerdings hat Joachim Löw die Situation verkannt, dass darunter auch die Spielfreude, der Siegeswille und damit eben auch die Einstellung gelitten haben. In einem Interview mit Fans hieß es aus diesen Reihen: „Das ist nicht mehr die Mannschaft, die wir kennen.“ – Und irgendwie stimmt das auch. Denn Selfies und Werbespots schaffen keine Identifikation, das schafft nur die Einstellung, alles geben zu wollen.

Was nun passieren muss?

Es gibt nicht wenige, die nun den Rücktritt von Joachim Löw als Bundestrainer fordern. Man könnte jetzt auch sagen: Mit Recht. Aber damit verschiebt man nur das Problem auf die lange Bank. Der DFB muss endlich aufhören, die Spieler als Werbefläche zu vermarkten. Das sind Sportler und Menschen. Ebenso müssen die Spieler aufhören, jedem müden Taler hinterher zu hecheln. Und Selfies in der größten Krise der Nationalmannschaft gehören sich nicht.

Es muss nichts durch choreografiert werden. Noch stehen da Menschen auf dem Platz, keine Roboter. Wenn solchen begnadeten Spielern wie Toni Kroos, Sami Khedira und Mesut Özil solche eklatanten Fehler unterlaufen wie in Russland, dann hat das tiefere Gründe. Das hat nichts mit fehlendem Können zu tun, sondern mit der Art und Weise, wie die Spieler verheizt werden.

Natürlich müssen sich da auch alle Mitglieder der sportlichen Leitung hinterfragen. Oliver Bierhoff und Co. hätten hier der Marketing-Badewanne den Stöpsel ziehen sollen. Und der DFB hätte selbst Anstand zeigen sollen, dass sich dieses Verheizen einfach nicht gehört. Das muss in aller Ernsthaftigkeit mit etwas Abstand hinterfragt werden. Und zwar bevor man Joachim Löw vor die Tür setzt.

Zuhause ist im Club

Mir scheint, als ob die Nationalspieler nicht nur satt und träge sind. Sondern ihnen ist die Nationalmannschaft einfach nicht wichtig genug. Bei RB Leipzig steht zwar „Vorsicht, freilaufende Bullen“ an einem riesigen Tor. Deshalb ist es dennoch immens wichtig, dass Fans und Spieler sich beim Training über den Weg laufen. Und man wird mir keinen Club der Welt nennen können, bei dem das anders ist. Bei jedem öffentlichen Training gibt es großes Hallo.

Aber ist das auch bei der Nationalmannschaft so? Ich weiß, dass es vor Jahren noch so war. Aber mittlerweile scheint sich das geändert zu haben. Damit drückt man eben auch seine (fehlende) Wertschätzung gegenüber den mitgereisten Fans aus. Die bekommen dann die Selfies in die sozialen Netzwerke gespült. Kann das denn die große Lösung sein?

Neues Wir-Gefühl

Der deutsche Fußball braucht ein neues Wir-Gefühl. Und ja, damit kritisiere ich auch die Äußerungen, die da jegliches Nationalgefühl als „Deutschtümelei“ abtun und in die rechtsradikale Ecke schieben. Ich kritisiere damit auch Mesut Özil und Ilkay Gündogan. Und ich kritisiere damit auch das komplette Auseinanderbrechen der ehemals so erfolgreichen Mannschaft.

Der FC Bayern München kommt einzig und allein mit #MiaSanMia aus, RB Leipzig mit #DieRotenBullen. Wozu hat die Nationalmannschaft mit #ZSMMN, #DieMannschaft und #BestNeverRest gleich drei Hashtags? Denken die etwa, viel helfe viel? Und ein „Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola“ muss auch nicht sein. Damit bleibt so etwas wie ein Wir-Gefühl auf der Strecke.

Dabei geht es doch erfolgreich. Die U21 zum Beispiel ist Europameister. Und das mit Spielern wie Benjamin Henrichs und Jonathan Tah von Bayer Leverkusen, Lukas Klostermann von RB Leipzig oder Mahmoud Dahoud von Borussia Dortmund. Trainer Stefan Kuntz wird mit seiner Mannschaft in Ruhe gelassen, sodass mit diesem Team Erfolge eingefahren werden können. Das muss auch bei den „großen Jungs“ klappen. Dann gibt es auch wieder „Schland“-Rufe.

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