#tag2020 – Die Zeitungsdebatte – ich habe mal ein paar Worte dazu

Vor einiger Zeit hat DER SPIEGEL eine Debatte vom Zaun gebrochen. Jetzt ist das ja mit Debatten außerhalb von Parlamenten so, dass man da manchmal von unnützen Debatten redet. Aber was das gefühlt einflussreichste Nachrichtenmagazin Deutschlands da losgetreten hat, ist gut und wichtig und außerdem richtig.

Es geht darum, dass DER SPIEGEL fragt, wie die Zeitung von morgen aussehen soll, ob Tageszeitungen überhaupt noch gebraucht werden. Und wenn ja, welche Tageszeitungen noch gebraucht werden. Die schlichte Frage dahinter ist: Wie soll die Tageszeitung im Jahr 2020 aussehen? Das Hashtag bei Twitter heißt dann #tag2020.

Namhafte Journalisten, Wissenschaftler, Analysten liefern teils umfangreiche Beiträge zu einer Art Blog bei dem Magazin. Die Frage ist aber, ob die ganzen Wissenden auch mal gefragt haben, wie das der Leser sieht. Ich vermute ja. Aber nachweisen kann man das nicht. Ich schreibe einfach mal so nieder, was mich zu Tageszeitungen so bewegt.

… und an die Leser denken

Die Hauptaufgabe von Zeitungen ist meiner Meinung nach, dass der Leser kurz und knapp informiert wird. Da eine Tageszeitung einen Redaktionsschluss und eine Drucklegung hat, können sie nun einmal nicht minütlich informieren. Sie können nun einmal nur einmal am Tag – gewöhnlich morgens – die Leser auf den zum Redaktionsschluss aktuellen Stand bringen. Wer da anderes glaubt, der irrt.

Ich rede hier aber nur von den Drucksachen, ich meine nicht die jeweilige Internetseite der Zeitung. Und die Drucksache Tageszeitung wäre eine wichtige Angelegenheit für jeden. Wenn sie denn informieren würde. Doch ich habe den Eindruck, dass genau dies nicht geschieht. Vielmehr ist eine Tageszeitung zu einer reinen Werbewüste verkommen.

Wenn ich mir überlege, wie die große Tageszeitung hier in der Region Leipzig aussieht! Da überblickt man die Titelseite kaum, weil man vor lauter Werbung und Hinweisen auf die Beilagen erschlagen wird. Wenn man denn doch die Werbung übersehen kann und dann mit Blättern beginnt, fallen die besagten Beilagen zuhauf aus dem Zeitungspapier. Und das werden, wenn ich das so hin und wieder mitbekomme, immer mehr.

Man muss ja förmlich die Zeitung gar nicht kaufen, um sie zu finanzieren. Um sie zu lesen, reicht eigentlich die Webseite, wenn man sie ohne Werbeblocker besucht. Aber finanzieren müsste sie sich von allein. Darum muss sich der Leser eigentlich nicht scheren. Warum dann also Geld ausgeben?

Merken Sie was? Es ist noch kein Wort über den Inhalt gefallen. Der Inhalt der lokalen Tageszeitung ist mehr so lala. Wenn ich eine Zeitung lesen würde, würde ich das morgens zum Kaffee tun. Da habe ich rund eine halbe Stunde. Ich möchte klar und deutlich über das Wichtigste der Region, des Landes und der Welt erfahren. Oberflächlich darf es nicht sein, belanglos schon gleich gar nicht. Topaktuell und exklusiv erwarte ich nicht von der Tageszeitung. Aber informativ.

Ist das die Tageszeitung der Region Leipzig, wenn sie von entlaufenen Katzen, Biberdämmen usw. erzählt? Kann ich Objektivität erwarten, wenn einfach nur Pressemitteilungen regionaler Unternehmen übernommen werden oder gesponserte Artikel die wirklichen Nachrichten überdecken? Deshalb kaufe ich keine Tageszeitung. Denn mich als Leser haben sie bei so einer Redaktionsarbeit auf der Strecke gelassen.

Habe ich Lösungen?

Nein, die habe ich ganz und gar nicht. Aber ich denke, dass mir als Leser auch nicht die Aufgabe zusteht, eine Lösung zu finden. Ich finde aber, dass die Tageszeitungen von ihrem hohen Ross heruntersteigen sollten und auf die Leser hören sollten. Will denn wirklich der Leser wissen, wo Biber einen Staudamm gebaut haben? Wenn dadurch irgendeine Gefährdung entstehen würde, wäre das etwas völlig anderes. Aber einfach so darüber zu berichten, finde ich arm. Das interessiert einen doch nicht – morgens zum Kaffee.

Ich möchte wie oben beschrieben informiert werden. Meinetwegen auch rubrikenhaft, wie es die regionale Tageszeitung macht. Aber ohne dass irgendein Schreiberling irgendwem nach dem Mund redet. Eine Tageszeitung muss eine eigene Meinung haben und nicht einfach nur den Sabber vom Kinn anderer ablecken. Eine Zeitung muss informieren und dabei authentisch wirken. Ein unförmiges Wischiwaschi, wie es die Leipziger Zeitung so tut, interessiert mich nicht.

Und was ist mit der großen Story?

Die große Story ist eine umfangreich und tiefgründig recherchierte Geschichte. Die gehört doch nicht in die Unter-der-Woche-Ausgabe. Am Wochenende ist das etwas völlig anderes. Da hat der Leser Zeit zum Lesen. Da kann er sich dem widmen, was tagelang recherchiert werden musste.

An einem normalen Arbeitstag, der bei den meisten Montag – Freitag stattfindet, will der Leser kurz und bündig über alles wissenswerte informiert werden. Zumindest geht es mir so. Am Wochenende kann man dann die so genannten Hintergrundberichte bringen, da ist die Tageszeitung sowieso noch viel dicker.

Die Tageszeitung wird vom Internet verdrängt

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich suche kaum Webseiten von irgendwelchen Tageszeitungen auf. Aber wenn ich mir hier auch wieder die regionale Tageszeitung hernehme, wird mir schlecht. Dieser Internetauftritt ist auch wieder zum Abgewöhnen. Es ist ja legitim, dass sie auf der Webseite nicht alle Inhalte der gedruckten Zeitung anbieten. Dafür kostet die Zeitung Geld. Aber Kurzmeldungen von vielleicht 50 Worten Länge werden ausgestaltet mit vielleicht 10 Werbeplätzen. Und es gibt jede Menge Galerien, bei der jedes Bild von Werbung eingefasst ist. Klickvieh nennt man so etwas.

Auch hier wäre – was für das gedruckte Werk auch gilt – weniger mehr. Lieber hier die topaktuelle Berichterstattung, meinetwegen auch mit Abo-Modell. Aber einfach nur eine Werbeplatz-Verkaufsmaschine darzustellen, das kann nicht der Anspruch einer Tageszeitung sein.

Ach so, die Tageszeitungen haben so viel weniger Leser als noch vor soundso vielen Jahren, weil es so viele Blogs gibt? Ich habe schon einmal davon geschrieben, aber ein Blog kann im Normalfall gar nicht den Anspruch haben, eine Tageszeitung zu ersetzen. Die Nachrichtenlage kommentieren, das können Blogs. Aber an die Stelle der Zeitung treten, das geht nicht.

Ich habe gelesen, dass die Tageszeitungen schon vor der allgemeinen Nutzung des Internet viele Leser verloren haben. Also kann man dieses Argument nicht gelten lassen. Es liegt schlichtweg daran, dass viele Tageszeitungen einfach die Leser nicht mitgenommen haben.

Fazit

Die Tageszeitungen sind irgendwo hin marschiert. Der Grundsatz von Hellmut Markwort, dass man bei den Fakten immer an die Leser denken soll, wurde von ihnen vergessen. Man hat die Leserschaft einfach nicht mitgenommen. Stattdessen hat man einfach nur ans Geldverdienen gedacht. Doch nur mal eben auf die schnelle Münze zu setzen, hat nichts nachhaltiges. Und nur wenn etwas nachhaltig ist, baut man Vertrauen auf. Und nur mit Vertrauen kann man Abos verkaufen und Leser an sich binden. Das ist Zeitungen wie der hier regionalen Größe gründlich misslungen. Bevor man also Leistungsschutzrecht will und Werbeplätze im Dutzend billiger anbietet, sollte man erst einmal an die Leser denken und sie fragen, was sie denn von einer Tageszeitung erwarten und warum sie weniger Tageszeitungen kaufen.

Ich bin kein Journalist. Ich bin auch kein Verleger. Man wird zwar als Blogger immer wieder damit konfrontiert, dass man ein „verlegerisches Erzeugnis“ produzieren würde, aber ich sehe das nicht so. Und deshalb habe ich auch kein Rezept für die angeblich vorliegende Zeitungskrise. Ich denke eben nur, so lang den Verlegern egal ist, was die Leser wollen, werden Tageszeitungen immer unwichtiger. Dann ist der Leidensdruck nicht groß genug, selbst etwas zu ändern.

Es mag sein, dass ich auch völlig falsch liege. Ich habe nur einmal aufgeschrieben, was mir so zu der Zeitungsdebatte eingefallen ist. Tageszeitungen gehören zur Gesellschaft dazu. Und so lang das so ist, könnte auch jeder Leser seine Gedanken dazu äußern. Das tut der Debatte vielleicht ganz gut. Oder was meinen Sie?

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