Die Urheberrechtsreform wird über Europa hereinbrechen. Die Gemüter erhitzen sich an Artikel 11 und 13. Aber was ist denn mit Artikel 12? Und kann es sein, dass alle Urheber – auch die, die die Reform grundsätzlich gut finden – in die Röhre schauen werden? Artikel 12 nämlich wird in der jetzigen Form den Urhebern – und damit auch den Bloggern – Geld wegnehmen. Das ist jetzt eher so semi-gut. Und darüber müssen wir reden.
Was sagt Artikel 12 der Urheberrechtsreform aus?
Konnte man bisher vielleicht noch ansatzweise davon ausgehen, dass die Urheber durchaus von der bevorstehenden Urheberrechtsreform profitieren können, so sieht das mit Artikel 12 gewaltig anders aus. Und mit dem Artikel wird klar, dass die gesamte Reform reine Lobbyarbeit ist und Urheber und Werke am Ende völlig egal sind. Denn dort steht:
Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass für den Fall, dass ein Urheber einem Verleger ein Recht übertragen oder diesem eine Lizenz erteilt hat, diese Übertragung oder Lizenzierung eine hinreichende Rechtsgrundlage für den Verleger darstellt, einen Anteil am Ausgleich für die Nutzungen des Werkes zu beanspruchen, die im Rahmen einer Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das übertragene oder lizenzierte Recht erfolgt sind.
JurPC Web-Dok. 13/2019, Abs. 1 – 204
Das bedeutet, dass Verwertungsgesellschaften wie die VG-Wort (Textwerke) oder die GEMA (Musikwerke) Gelder aus der allgemein gesetzlichen Reprografieabgabe nicht wie erst beschlossen ausschließlich den Urhebern zukommen lassen, sondern auch den Verlagen etwas davon abgeben. Und das kann ziemlich viel sein. Und das zusätzlich zum Leistungsschutzrecht, das per Artikel 11 beschlossen wurde.
Es ist zu erwarten, dass Urhebern mithilfe von Artikel 12 der Urheberrechtsreform um die 40% an Vergütungsansprüchen weggenommen werden. Es ist nur nicht klar, ob es dann um jedes einzelne Werk geht. Ich würde aber nicht darauf wetten. Vielmehr dürfte der gesamte zur Verfügung stehende Pott aufgeteilt werden. Damit schauen auch alle Urheber in die Röhre, die nichts mit Verlagen zu tun haben.
Was ist die Reprografieangabe?
Ich bin Urheber. Sollte der Artikel 12 so kommen, wie ich befürchte, tangiert der mich schon sehr. Aber was ist die Reprografieabgabe? Reprografie ist ein Sammelbegriff für alle möglichen Verfahren der dauerhaften Reproduktion. Wenn Sie eine Privatkopie eines Films anfertigen, zählt das darunter. Wenn Sie sich diesen Artikel speichern und / oder ausdrucken, zählt das darunter.
Nehmen wir mal an, ich schreibe ein Buch. Das wird verkauft. Der Verlag erhält seinen Anteil, die Druckerei, ich, alle werden bezahlt. Alles OK. Für Privatzwecke darf man aus dem Buch kopieren. Allerdings verdient da niemand mehr etwas. Und das ist eher so mittelgut. Die Hersteller von den Geräten für die Vervielfältigung, die verdienen aber schon. Und die müssen eine Abgabe dafür abführen.
Jeder Speicherstick, jede Festplatte, jeder Kopierer etc. wird mit einem Obolus belastet, den der Hersteller abführen muss. Das kommt in einen Pott. Und der wird nach einem Jahr ausgeschüttet. Laut aktueller Rechtsprechung an die Urheber. Also auch an mich. Wenn Artikel 12 so kommt, bekommen die Verlage, die mit dem Werk an sich nicht viel zu tun haben, die Hälfte ab.
Mit welchem Recht? Sowohl der Bundesgerichtshof, als auch der Europäische Gerichtshof haben die Verlagsbeteiligung für unzulässig erklärt. Und nun kommen Parlamentarier, die keine praktische Erfahrung mit a) dem Internet und b) mit urheberrechtlich geschützten Werken haben, und werfen all das über den Haufen und enteignen die Urheber.
Und was haben Blogger damit zu tun?
Es ist ja vielleicht noch halbwegs nachzuvollziehen, dass Verlage, die direkt mit dem jeweiligen Werk zu tun haben, irgendwie von der Ausschüttung profitieren. Nehmen wir einen Artikel auf einer Verlagsseite, der die notwendigen Zugriffe erhalten hat. Der Verlag optimiert die Artikel, bereitet sie auf, etc. Dafür bekommen sie zwar Tantiemen aus dem Leistungsschutzrecht, aber sei’s drum.
Was aber hat das Alles mit meinem Blog zu tun? Hier steckt kein Verlag dahinter, der die Finger im Spiel hat. Wieso soll ich ganz plötzlich mir ferne Verlage daran beteiligen, wenn ich eine eh viel zu geringe Ausschüttung von der VG-Wort bekomme? Und das wird sich wohl so ziemlich jeder Blogger fragen, der Mitglied in der Verwertungsgesellschaft ist.
Ähnlich ist es bei Musik. Die GEMA schüttet aus. Das darf sie wohl nur an die Komponisten und Texter. Meinetwegen an Dieter Bohlen. Seine Musik wurde jahrzehntelang über Hansa Musik vertrieben, und der Verlag hat Bohlen wohl geknebelt. Wieso soll der Musikverlag nun nochmal Geld bekommen, wenn Dieter Bohlen eine Ausschüttung bekommt? Die haben daran keinen Anteil.
Wieso können Verlage beteiligt werden?
Also die Tantiemen, die die VG-Wort ausschüttet, sind dazu da, die Urheber dafür zu entschädigen, dass Nutzer legale Kopien ihrer Werke anfertigen können und dürfen. Das hat also seine Berechtigung, egal wie man persönlich darüber denkt. Verlage tätigen ja auch Investitionen für den Vertrieb der Werke der Urheber – und sei es das Marketing der Nachrichten-Webseite.
Und die Administratoren der Verlage tun ja tatsächlich ihre Arbeit. Und sie bauen die Zählpixel der VG-Wort ein. Das Layout der Webseite wird bearbeitet, die Funktionalität der Webseite wird sichergestellt etc. Das ist alles Verlagsarbeit. Deshalb ist eine Beteiligung auch nachvollziehbar. Aber eben zu einem kleineren Anteil als der Anteil für den Urheber.
Und: Diese ganze Verlagsarbeit mache ich bei meinem Blog selbst. Ich sehe gar nicht ein, wieso von meinen paar Kröten, die ich von der VG-Wort bekomme, auch noch Verlage, die nichts bei mir zu tun haben (sollen), bezahlt werden sollen. Kann mir das irgendwer erklären? Lesen Sie einfach mal die Argumentation von Rechtsanwalt Solmecke. Oder schauen Sie mal nach diesem Video:
Ich habe deshalb einen bestimmten Vorschlag: Es gibt bei der VG-Wort den Bereich „Hinzufügen zu einer Verlagsmeldung“. Ich kann doch darüber als Autor in einem Verlag meine Meldung zur Meldung des Verlages hinzufügen. Das müsste vielleicht konkret werden. Und dann werden alle Meldungen, die nicht hinzugefügt werden, vollständig vergütet. So haben diejenigen keine Einbußen, die nicht über einen Verlag publizieren.
Was sagen denn meine Leser?
Mich würde mal interessieren, was Sie als Leser dazu sagen. Mir geht es nicht darum, dass jemand sagt, dass „der Quatsch“ abgeschafft gehört. Denn es ist eine Entschädigung für Privatkopien aller Art, die eh eingenommen wird. Mir geht es darum zu erfahren, wie Sie dazu stehen, was die Verteilung des eh vorhandenen Geldes betrifft:
Wie soll mit der Reprografieabgabe umgegangen werden?
Soll die Gesamtausschüttung ausschließlich den Urhebern zu Gute kommen?
Soll sie zu gleichen Teilen Urhebern und Verlagen zu Gute kommen?
Soll die Ausschüttung so gestaltet werden, dass ausschließlich Verlagsmeldungen aufgeteilt werden?
Oder haben Sie eine bessere Idee?
Ich würde mich freuen, wenn wir zusammen im Kommentarbereich diskutieren können. Vielen Dank.
Hallo
es ist … kompliziert.
Und warum sich hier dazu keiner meldet, ist vielleicht wegen gewisser Fachbegriffe, die vor den Großeltern der Demonstranten modern waren. „Reprografie“ kann man googeln, muss man aber nicht.
Ok, auch RA Solmecke macht auch einen Ausflug in die 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts, hat aber einen Haufen Kommentare. Kann man drüber nachdenken, muss man aber auch nicht. Er ist halt va. dzt. der Video-Star der Demogeneration.
Bei Art 13: sind alle dafür, dass sie dagegen sind; diese damit verbundene Datenbanken, der Abgleich, die Filterscripts usw. werden außer Ärger kaum was bringen. Sicher keine fairen Vergütungsmodelle für Urheber. Und die angebliche Haftung der Plattformen ist auch kein Grund, dass sich jedermann nun sicher fühlen kann, egal was er wo hochlädt.
Bei Art 12 muss man um ein paar Ecken denken. Hier könnte ein klares JEIN die Antwort sein? Ich weiß es auch nicht, doch ein paar Gedanken dazu:
– Als Fotograf, Journalist, zeitweise Grafiker und Werbefuzzi und einer, der sonst was mit Medien macht, sind die BERUFlichen Aspekte zu überdenken.
Fakt ist: Egal ob etwa ein Verlag etwas zur Verbreitung beiträgt oder nicht – ich bin und bleibe Urheber.
Nur: Was wäre ich ohne Verlag? Meine Reportagen würde nie wer lesen, wenn dieses Medienhaus das nicht herausbringt.
Der Verlag kommt ohne mich aus, ich aber nicht ohne ihn, ohne dessen Anteil an der professionellen Herstellung, Veröffentlichung, dem Vertriebs-Knowhow usw.
– Als Blogger sehe ich meine PRIVATEN literarischen Absonderungen nicht als Werk mit besonderer Schaffenshöhe, aber es ist doch mein Gebrabbel, dass da steht. Und wenn ich sogar diese privaten Inhalte monetarisieren will, so hat da keiner mitzuverdienen, der nichts dazu beiträgt, dass es verbreitet wird.
Also: Wer mir hilft, meine Inhalte zu verbreiten, kann ruhig im adäquaten Ausmaß mitschneiden.
Aber: Keine EU, keine nationale Gesetzgebung, niemand hat da mitzubestimmen! Weder Fr. Merkel, noch Mr. Trump noch die Hempels von nebenan geht es was an.
Es war schon immer spannend, die Konditionen zwischen Urheber und dessen Arbeitgeber, Manager, Erfüllungsgehilfen oder wie auch immer, zu verhandeln. Wir sind mündige Bürger und können dies alleine zu Papier bringen.
Ok, die EU uo. ihre Staaten können rechtliche Rahmen definieren und dieses komische, veraltete europ. Urheberrecht, in das „Neuland“ transformieren. Nur lasst euren Wählern die Freiheit, selbst zu bestimmen, wer welchen Anteil an was hat.
Lasst die Bürger nicht im Glauben, die Plattformen stoppen euch beim hochladen von geschütztem Material und das der erste Eintrag in der Datenbank auch den echten Urheber bezeichnet. Die Menschen außerhalb eurer Parlamente werden euch die Uploadfilter um die Ohren hauen, weil die soweit von KI entfernt sind wie Recht von Gerechtigkeit.
Danke, dass du diesen Art. 12 in die richtige Relation stellst – denn es wäre fatal, irgendeine Zeile dieser beknackten EU-Entwürfe zu übersehen.
Wir „schaffen das und schaffen diese Artikel ab!“ Nur: Was wir übersehen, könnte Eurotrojaner, eine Hintertür aus kleingedruckten sein – mit dem die Lobbyisten dennoch ihre Vorhaben durchdrücken. Oder?
Bevor ich noch mehr Blödsinn schreibe – der hoffentlich polarisiert und weitere Kommentare herausfordert – ende ich hier mal.
Ich danke dir, mein lieber, für diesen Kommentar. Es stimmt, diese ganze Urheberrechtsrichtlinie (und mehr ist es ja bisher nicht) wird den Parlamentariern um die Ohren fliegen. Denn sie sind ja auch erstmal Konsumenten und Internetnutzer. Und in dieser Eigenschaft konsumieren sie auch Inhalte, die irgendwer mal hochgeladen hat. Was könnte denn im schlimmsten Fall passieren?
– Artikel 11: Ein Leistungsschutzrecht, das Aggregatoren dazu bringen könnte, ihre Dienste in Europa einzustellen oder die Verlage außen vor zu lassen.
– Artikel 12: Die Beteiligung der Verlage sehe ich auch bei Verlagsinhalten ein. Aber die Verlage werden wohl am Gesamtpott beteiligt, und damit schaden sie allen Kreativen, deren Veröffentlichung nicht mehr finanzierbar sein wird. Folge: Das Internet wird ärmer.
– Artikel 13: Plattformen können keine Inhalte mehr veröffentlichen, bis sie zweifelsfrei überprüft sind. Stattdessen können diese Filtermechanismen auch für die Strafverfolgung hergenommen werden.
Es gibt Menschen, die alles andere als Internet-affin sind. Selbst die verstehen, weshalb man diese Urheberrechtsrichtlinie ablehnen muss. Es liegt doch auf der Hand, dass alle – bis auf die Medienunternehmen – bei der Richtlinie verlieren werden. Vor allem das mit der Hintertür halte ich für ein valides Szenario. Warum soll das nicht so genutzt werden?
Natürlich ist es kompliziert. Niemand hat gesagt, dass Urheberrecht einfach ist. Aber so eine einseitige Richtlinie, die ausschließlich die großen Medienkonzerne bevorzugt, kann nicht richtig sein. So schafft man kein zeitgemäßes Urheberrecht, das wir so dringend brauchen.
Vielen Dank für diesen Beitrag. Ich wusste nicht, dass Verlage auch an meinen Blogbeiträgen beteiligt werden. Denn bei der Meldung der VG-Wort gebe ich doch ein „keine Verlagsbeteiligung“. Sollte dann die VG-Wort nicht auch danach unterscheiden?
Hallo Valerie, das bleibt zu hoffen. Ich weiß nicht, ob denn wirklich die VG-Wort anfangen würden, irgendwas zu unterscheiden. Aber ich kann mir vorstellen, dass sie sich äußern, wenn man sie mal danach fragt.