Macht mal zu Pandemie-Zeiten online Schule. Das wird schon alles klappen. Aber nimm um Himmels Willen nichts von Microsoft, weil USA und darum ganz dolle böse. Man weiß es natürlich wieder besser, wenn man sich um das so genannte „Home Schooling“ kümmert. Erstmal ist das, was größtenteils in deutschen Kinderzimmern derzeit abläuft, kein „Home Schooling“. Aber selbst wenn, dann kann man doch auf bewährte Techniken zurückgreifen. Oder kann man es tatsächlich besser?
Wenn in Deutschland online Schule stattfindet
Meine Tochter ist 14 Jahre alt. Sie kennt sich mit den Tools aus, die sie tagtäglich nutzt. Jetzt müssen wir uns nicht darüber unterhalten, dass dazu auch Dinge wie TikTok, Instagram und YouTube gehören. Aber sie nutzt eben auch LernSax. Das ist eine auf einem Webserver basierende – nun ja, sie nennen es so – Schulcloud. Gemeinsam mit dem System MeBis für Bayern und anderen wird LernSax in einem Rechenzentrum in Deutschland betrieben.
Jetzt gibt es die unterschiedlichsten Wortmeldungen dazu. Wenn aber online Schule stattfinden soll, muss ich eines sicherstellen: Dass die Plattform – egal, wie sie heißt – auch vollständig zur Verfügung steht. Aber wenn in Deutschland online Schule stattfinden soll, ist eben alles anders. Dann kommt es eben dazu, dass sich die Kinder über Tage nicht bei LernSax anmelden können. Es war eine Katastrophe. Und sofort war vom Bildungsministerium in Sachsen zu hören, dass es böse Hacker waren.
Das Problem ist aber wohl, dass der Webserver mit der „Schulcloud“ (Findet ihr eigentlich den Begriff genauso blöd wie ich?) in die Knie ging. Oder anders: Das Rechenzentrum, in dem der Webserver wohnt, war Ziel einer DDoS-Attacke. Und damit war halt kein Zugriff auf LernSax, MeBis und Co. möglich. Man könnte es anders haben. So hätte man auf virtuelle Klassenräume setzen können. Microsoft Teams ist ja das Eine. Aber es gibt ja auch Citrix, WebEx und Adobe Connect.
Und wenn man den pöhsen, pöhsen Amis eben nicht über den Weg traut und auf Open Source setzen möchte, gäbe es noch Alternativen wie OpenMeetings oder BigBlueButton. Letzteres gibt es sogar an sächsischen Schulen. Wenn man dann aber doch auf Nummer sicher gehen will und zwingend auf einen deutschen Anbieter setzen will, könnte man ja auch zum TeamViewer tendieren. Es ginge also. Aber man setzt halt lieber auf LernSax für – ja, komm, nochmal – das Home Schooling.
Es sind Ausreden
Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass es Ausreden sind, was die Digitalisierung der Schulen betrifft. Da soll es online Schule geben. Und was ist es am Ende? Meine Tochter ist von dem Theater betroffen. Es werden Aufgaben in LernSax bereitgestellt. Vielleicht gibt es noch eine Erklärung, vielleicht aber auch nicht. Und dann werden Erklärvideos vielleicht verlinkt. Wo befinden die sich? Nicht etwa bei einem ominösen „webvideo.de“ oder so. Sondern dort, wo Videos halt landen, bei YouTube.
Moment mal, Microsoft Teams ist böse, Googles YouTube aber nicht? Erklärt mir das jemand? Ach, und wo wir gerade dabei sind: Warum hat die Klassenleiterin meiner Tochter trotz der hach-so geilen Schul-Digitalisierung nach wie vor keine vorname.nachname@schule.de-Adresse, sondern eine irgendwas@t-online.de? Wieso muss die Frau immernoch ihre Kommunikation über einen privaten Email-Account führen?
Mir kann niemand erzählen, dass man noch nicht dazu gekommen sei. Wer online Schule durchführen will und funktionierende Plattformen wie Microsoft Teams kategorisch ablehnt wegen der Datenschutzerklärung, muss eine vollumfängliche Alternative haben und darf nicht auf den nächsten Datenschutz-Raubritter verlinken. Oder glaubt irgendwer, dass eine private Email-Adresse bei einem Freemailer wirklich sauber ist? Und gibt es eine deutsche Alternative zu YouTube?
Nein, beruft euch nicht auf Zeug wie MyVideo, denn darauf hatte 2017 Pro7 keine Lust mehr. Das wurde verhackstückt und eingestellt. Und sonst? Ach ja, Alugha gäbe es als Alternative. Schon mal gehört? Glückwunsch, viele sonst wohl auch nicht. Ja, die Lehrer verweisen auch auf die Mediatheken von ARD und ZDF. Aber im Großen und Ganzen spielt sich das Ganze als Videomaterial doch schon bei den pöhsen, pöhsen Amis ab.
„Eine verlorene Generation“
Sachsens Bildungsminister Piwarz hat davor gewarnt, dass es möglicherweise sogar zu einer verlorenen Generation kommen könnte, wenn man darauf umstellt, online Schule zu machen. Der wollte die Kinder lieber weiter in überfüllten Bussen und Bahnen in die zugigen Schulen treiben. Mich beschleicht der Verdacht, dass die Warnung von ihm damit zusammenhängt, wie sich das Schulcloud-Gedöns derzeit präsentiert. Wer nicht an die Schulmaterialien kommt, wird abgehängt.
Natürlich wird wie bekloppt auf die Zustände bei MeBis und LernSax und Co. geschimpft. Aber vielleicht sollten wir es den Bildungsministerien einfacher machen. Alle Welt nutzt WhatsApp oder hat Skype / Skype For Business / Teams oder so. Ach, ich vergaß, die pöhsen, pöhsen Amis. Jedenfalls wäre so meine Idee, dass man vielleicht kleine Teams baut und darüber die Aufgaben, die „online“ zur Verfügung stehen, bearbeitet und dann zu abgesprochenen Zeiten hochlädt.
Ich meine, die Kids sind ja nicht doof. Die wollen doch was erreichen. Das sehe ich bei dem Projekt „Tech-Teens“ meines Arbeitgebers. Wenn halt Bildungsministerium, Schule und Lehrer überfordert sind und als einzige Ausrede irgendwelche fehlenden Worte in der Datenschutzerklärung bei Teams herhalten soll, dann müssen wir mit den Kindern zusammenarbeiten. Wie soll es denn sonst gehen? Das hat zwar auch nichts damit zu tun, online Schule durchzuführen. Es ist dann mehr eine Lerngruppe. Aber die funktioniert dann wenigstens.