Twitter schafft sich einfach mal ab

Einer der größten Vorteile des Netzwerks Twitter ist es, schnell und einfach Inhalte teilen zu können und an Diskussionen teilnehmen zu können. Das wird nun mehr und mehr abgeschafft. Und allmählich muss man sich fragen, was man denn noch beim allenthalben als „Kurznachrichtendienst“ bezeichneten sozialen Netzwerk will. Ich erkläre mal, was ich meine.

Was hat Twitter angestellt?

Derzeit werden immer mehr Leute von Twitter ausgeschlossen. Sie werden jetzt bestimmt sagen: „Wer sich nicht benehmen kann, muss eben rausfliegen.“ – Das ist auch soweit richtig. Es gibt allerdings einen Pferdefuß. Das soziale Netzwerk tut so, als würden sie alles tun, um Fake News im Vorfeld der Europawahlen zu verhindern.

Denn ganz ehrlich: Das ist bei Wahlen in der jüngeren Vergangenheit schon problematisch gewesen. Allerdings schießt das Unternehmen aus San Francisco damit derzeit meilenweit über das Ziel hinaus. Denn sie werfen momentan mit Sperren um sich, dass es dem geneigten Beobachter durchaus schwindlig werden kann.

Der Anbieter erzählt etwas von Erwartungen, die in die Plattform gesetzt werden. Und darüber, dass deshalb die Regeln konsequent durchgesetzt werden müssen. Allerdings sind sie dann selbst gar nicht mehr so konsequent, wenn es um die Umsetzung dieser Regeln geht. Das dürfte das Vertrauen in die Plattform enorm beschädigen.

Gesperrt wegen der Europawahl?

Es gab vor längerer Zeit den Aufruf von irgendwem, ich weiß nicht mehr, ob es Rechtsradikale und / oder Reichsbürger oder so waren. Die riefen ernsthaft dazu auf, die Wahlzettel zu unterschreiben, zu fotografieren und das entstandene Foto in den sozialen Netzwerken zu verbreiten. „Um Wahlmanipulation aufzudecken“ oder so ähnlich.

Und dann haben wir einen bayrischen Rechtsanwalt im Fachgebiet IT, der sich vor drei Jahren den Spaß gemacht hatte und genau das getwittert hatte. Vor drei Jahren also, es ist nichts neues. Dafür wurde er jetzt gesperrt. Er schrieb am 08. März 2016 nämlich folgendes:

Dringende Wahlempfehlung für alle AfD-Wähler. Unbedingt den Stimmzettel unterschreiben. ;-) https://t.co/Lb9da0sV4Z

Tweet in seinem Blogartikel lesbar

Ihm wurde nun der Vorwurf gemacht, er würde mit diesem Tweet versuchen, Wahlen zu beeinflussen. Ernsthaft, Twitter? Sein Account ist sichtbar, die Tweets lesbar. Aber er kann sich nicht mehr anmelden. Wegen eines Tweets von vor drei Jahren, der jetzt die Europawahl beeinflussen soll? Macht sich Twitter damit nicht ein wenig lächerlich?

Kein Einzelfall

Rechtsanwalt Stadler ist dabei alles andere als ein Einzelfall. Es handelt sich wohl alles in allem um Tweets, die Anhängern von Rechtsaußen-Parteien nicht gefallen. Die werden systematisch über die Meldefunktion gemeldet. Daraufhin wird der Account, von dem der jeweilige Tweet stammte, gesperrt, bis der Eintrag gelöscht wurde.

Das ist klar ein Eingriff in die Meinungsfreiheit. Wer die Tweets gelöscht hat, erhielt umgehend wieder Zugriff auf seinen Account. Wehrt man sich gegen die Sperre, nennt das Twitter „Einspruch“. Wurde dieser eingelegt, wird dieser geprüft, heißt es. Und das kann Wochen dauern. So lang besteht kein Zugriff auf den eigenen Account.

Andere Nutzer mit ähnlichen Inhalten wiederum wurden nicht gesperrt. Und das lässt dann doch ein wenig die Konsequenz beim Netzwerk vermissen. Wer die Sache beobachtet, ist ganz schnell bei Willkür. Wie folgender Tweet auch zur kurzzeitigen Sperrung des Twitter-Accounts der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli führte:

Sawsan Chebli bei Twitter: „Wir werden schon dafür sorgen, dass dieser Name nie verschwindet! „

Was darf man denn noch twittern?

Nachdem Twitter und Facebook enorm in der Kritik standen, nicht genügend gegen digitale Desinformation getan zu haben, hat die Vögelchen-Plattform eine neue Meldefunktion zur Europawahl zur Verfügung gestellt. Damit sollen Nutzer „wahlbezogene falsche und irreführende Informationen“ melden können. Davon wird auch rege Gebrauch gemacht.

Am Ende fragt man sich, was man denn dann noch twittern darf. Und man kann annehmen, dass das Ganze zu einem Pyrrhussieg für Twitter werden könnte. Denn man könnte sich durchaus von der Plattform abwenden. Bei einer Plattform wie dieser, die immer mit Schwächen zu kämpfen hat, könnte dies dann sogar das Aus bedeuten.

Und erst dachte man, dass bei Twitter doch noch alles gut wird, nachdem dort weniger Hassrede und Belästigung verzeichnet wurde. Jetzt, nachdem die Populisten dagegen vorgehen, wenn Populismus gegen sie eingesetzt wird, und sie damit erfolgreich sind, wirft das ein blödes Bild auf die Plattform. Und das muss man erstmal einordnen können.

Update 06.05.2019, 14:00 Uhr: Der Twitter-Account von Rechtsanwalt Stadler ist nun wieder verfügbar. Der Mann kann nun das Netzwerk wieder wie gewohnt nutzen.

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