30 Jahre „Sugar Tax“ von OMD

„Sugar Tax“ war ein bemerkenswertes OMD-Album. Eins der besten, das jemals von der Band veröffentlicht wurde. Warum ich das genau so einschätze, hat viele Gründe. Und die möchte ich neben den einzelnen Liedern hier mal mit vorstellen. Gemeinsam mit „Architecture & Morality“ aus dem Jahr 1981 (Mit dem weltbekannten „Maid of Orleans“) hat es das Album in Deutschland bis auf Platz 8 in den Charts geschafft. Nur „History of Modern“ von 2010 war mit Platz 5 erfolgreicher in Deutschland.

Ich spiele „Sugar Tax“ bis heute immernoch wahnsinnig gern. Nicht wegen den Gassenhauern als Singles. Sondern wegen der besonderen Stimmung, die dieses Album verbreitet. Unter den OMD-Fans gehört es bis heute zu einem der beliebtesten Alben. Und das hat seine handfesten Gründe.

Diesen Artikel habe ich anlässlich des 30-jährigen Jubiläums neu aufgebaut.

Sugar Tax: Der bittere Neuanfang

Zur Vorgeschichte des Albums gibt es zu sagen, dass OMD bis zu diesem Album 7 Studio-Alben und 1 Best Of veröffentlicht hatten. Das Best Of war der Zeitpunkt, als sie sich trennten. Durch juristische Streitereien, auch wegen der damaligen Plattenfirma, kam es lange Zeit zu keiner wirklichen Veröffentlichung. Somit war das letzte Studio-Album vor „Sugar Tax“ das 1986er Album „The Pacific Age“. 5 Jahre kein neues Album, eine lange Zeit!

Andy McCluskey hatte sich dann dazu entschlossen, mit völlig neuen Leuten OMD weiterzumachen. Die anderen von OMD, also Paul Humphreys, Martin Cooper und Malcolm Holmes, bildeten dann „The Listening Pool“ und hatten dann später auch ein Album. Und somit wurde ein Stück völlig neue Musik geboren. Sie war irgendwie düsterer, melancholischer, ernster. Und nun aber mal zu den Liedern. Wie ihr oben seht, besitze ich die Schallplatte. Darum „A-Seite“ und „B-Seite“.

Die A-Seite

Das Album eröffnet mit der dritterfolgreichsten Single für OMD in Deutschland, „Sailing on the Seven Seas„. Diese Single war so bedeutend für OMD als Ganzes, dass ich einen eigenen Artikel dazu geschrieben hatte. Kraftvoll kommt man hier in die Traurigkeit der sieben Meere, alles andere liest man im Artikel nach.

Es folgt auf dem Fuße die Single, mit der das deutsche Formatradio bis heute seine Zuhörer nervt, „Pandora’s Box„. Das an sich sehr traurige Lied über Louise Brooks, ein Stummfilm-Star, wurde zu einem Gassenhauer. Leider verliert durch das ständige Rödeln im Radio dieses ehemals tolle Lied komplett seinen Charme.

Aber dann kommen wir zu einem Leckerbissen, eine Single, die in Deutschland so gut wie unbekannt ist: „Then you turn away„. Die sanfte Nummer erzählt über die Ernüchterung. Man diskutiert mit der Frau, die man liebt. Und die dreht sich einfach um und geht. Und dann ist eigentlich auch alles egal, selbst wenn sie über dich lacht. So oder so ähnlich ist der Sinn des Liedes, das eins der besten auf dem Album ist.

Ein Knaller auf dem Album ist zweifellos „Speed of Light„, für mich ein Top-Lied im gesamten Schaffen der Band. Das Licht wird langsamer, wenn die Feder auf dem Boden aufschlägt. Und wenn er gewusst hätte, dass sie kommen würde, wäre er nicht ausgegangen. Es ist ein tieftrauriges Lied über verpasste Chancen und über den Schmerz darüber, der nie vorbeigeht. Und auch dazu gibt es einen gesonderten Artikel.

Sehr persönlich ist dann „Was it something I said„, ein Lied über Missverständnisse und dadurch kaputt gegangene Beziehungen. Die breite Meinung dachte erst, es wäre ein Lied über eine gescheiterte Liebesbeziehung. Aber es soll ein Lied an Maureen Humphreys sein, der ersten Frau von Paul Humphreys. Die soll maßgeblich an der Trennung von OMD Schuld haben. Hört euch sich einmal diese unermessliche Wut in dem Lied an. Hört euch sich die Trauer und die Ernüchterung an. Mehr geht eigentlich nicht, wenn eine Frau dafür sorgt, dass beste Schulfreunde auseinander gerissen werden.

Es folgt dann das verträumte „Big Town„, eine Geschichte, die nicht wie ursprünglich gedacht über London, New York oder Tokio erzählt. „Big Town“ handelt von dem ausschweifenden Lebensstil als Popstar. „Big Town“ ist hierbei als die große, weite Welt zu verstehen. Irgendwann sagt man, dass es schön war, aber man nun etwas neues erleben muss. Das Lied ist sehr kryptisch gehalten und sparsam instrumentiert. Und genau das macht es aus.

Die B-Seite

Call my Name“ ist dann wieder eine der vier Singles dieses Albums. Hierbei handelt es sich um eine sympathische Disco Fox Nummer. Egal, was man tut, es ist immer falsch. Aber hoffentlich ruft sie an, aber dann geht er wahrscheinlich kaputt. Diese Single war nicht sonderlich erfolgreich, gehört aber zu dem Gesamtwerk des Albums dazu.

Ein etwas ungewöhnliches Lied ist dann „Apollo XI„. Das Acid-artige Instrumentalstück behandelt die Apollo-Mission zum Mond. Es handelt sich um eine der experimentellen Stücke, die sich die Band in über 30 Jahren Bestehen nie hat nehmen lassen. Technische Entwicklungen haben OMD immer interessiert, so auch Andy McCluskey während dieser Zeit. Und das zeigt sich eben an diesem Lied.

Das beste Stück des Albums folgt dann mit „Walking on Air„. Er schwebt wie auf Wolken, ist einsam und verlassen, und keine bösen Geister – die McCluskey zu der Zeit in seinem Haus vermutet haben soll – treiben ihn um. Es ist die böse Abrechnung mit einer gescheiterten Liebesbeziehung. Diese Beziehung trieben die bösen Geister ins Haus, in sein Schloss. Nun sind sie weg, und er ist erleichtert. Bestechend ist die blueslastige Machart des Liedes mit großem Piano-Solo. Es ist eine Perle im Schaffen von Andy McCluskey. Mehr kann man Ernüchterung nicht vertonen.

Mit „Walk Tall“ haben wir das nächste Sahnestückchen des Albums. Begonnen mit choralen Samples, beginnt das Lied sehr sparsam instrumentiert. Es geht um das Aufrechtgehen, selbst wenn man immer wieder enttäuscht wird. Man soll Blumen sprechen lassen, auch wenn man den anderen eigentlich gar nicht will. Kennt ihr solche Situationen? Die sind jedem schon mal passiert, oder?

Und dann darf Andy McCluskey Kraftwerk covern. Als so ziemlich die größten Fans der deutschen Elektronik-Pioniere haben sie immer Kraftwerk als Vorbilder genommen. Und so erschien dann „Neon Lights“ auf dem Album. Es sind nach wie vor die Reklame-Anzeigen in New York, die ihn begleiten. Egal, ob es nun Florian auf deutsch oder Andy auf englisch ist.

Abgeschlossen wird das Album dann mit dem famosen „All that Glitters„. Es handelt sich hier um den weltbekannten Ausspruch „Es ist nicht alles Gold, was glänzt“. All das, was einen verletzt, kann nur von Liebenden gemacht werden. Denn nur Liebende können so sein. Und egal, was passiert, man stirbt in den Armen des anderen. Es ist eine der schönsten Lieder, mit denen man ein Album abschließen kann.

Viele Gedanken zum Album

„Sugar Tax“ ist alles andere als ein optimistisches Album. Es ist ein Album, das vor Melancholie strotzt. Selbst die fröhlichsten Lieder haben eine dunkle Seite an sich. Und so etwas so zu verpacken, das ist in meinen Augen meisterlich. Eigentlich ist das Album in sich geschlossen, eigentlich ist es ein Konzept-Album wie „Architecture & Morality“, „Dazzle Ships“ oder „English Electric“. Denn es behandelt immer wieder die Melancholie.

Andy McCluskey hatte sich für Sugar Tax mit Stuart Kershaw, Lloyd Massett und Nigel Ipinson zusammengetan. „Sailing on the Seven Seas“ wurde in nur 30 Minuten komponiert. McCluskey sang Kershaw die Schlagzeug-Spur vor, und Kershaw hatte die Idee mit der Piano-Untermalung. Der Rest ist Geschichte. Das Album verkaufte sich über 3 Millionen Mal. Und es ist ein wirklicher Meilenstein für OMD.

Ich denke, dass viele in meiner Altersklasse dieses Album kennen. „Sugar Tax“ war für meinen Bekanntenkreis Anfang der 90er Jahre ein Muss. Wenn man es nicht selbst besaß, aber irgendwer hatte es und konnte es ausleihen. „Sugar Tax“ hat auch ein Titelstück, das nicht mal auf dem Album ist. Das war nämlich noch nicht fertig. Das kam dann als Bonus-Track auf die dritte Single „Then you turn away“.

Ich habe irgendwo gelesen, dass das Album die halbe Eurodance-Riege der 90er Jahre beeinflusst haben soll. Das kann ich gar nicht so richtig glauben, da nicht wirklich viel Eurodance zu hören ist. Trotz der vielen Pop-Elemente des Albums bleibt es nach wie vor ein typisches New Wave-Album. Und das zeichnet „Sugar Tax“ bis heute, exakt 30 Jahre nach Erstveröffentlichung, aus.

Und was, wenn die Geschichten andere waren?

Jetzt kommt der Knaller: „Sugar Tax“ ist so kryptisch, dass man es gar nicht mitbekommt, dass die Hintergründe eigentlich anders waren. OMD – oder vielmehr Andy McCluskey mit Stuart Kershaw – haben das Album während einer Twitter Listening Party von Tim Burgess besprochen. Und dabei hatte Andy McCluskey erzählt, dass das Album sich eigentlich ausschließlich um die Trennung von Paul Humphreys, Mal Holmes und Martin Cooper drehte.

Die bösen Geister in „Walking on Air“ gab es wirklich. Denn in dem Haus, in dem Andy lebte, lebte einst die gesamte Band. Aber der Rest der Truppe hatte sich von Andy McCluskey abgewendet (Then you turn away), weil er großmäulig, wie er nun mal war, sonstwas vom Stapel lassen wollte (Was it something I said). Er hat den Erfolg zu sehr gewollt (Pandora’s Box), und das hat er nun davon gehabt (Sailing on the seven seas).

Wer des Englischen mächtig ist, sollte sich auch unbedingt die lange, lange Story im Electricity Club antun. Wer diesen Artikel gelesen hat, wird feststellen, dass OMD eigentlich nur zu „Sugar Tax“ hätte führen können. Im Nachhinein sagt man sich: Na, was denn sonst? Nach „Sugar Tax“ war der Begriff „Orchestral Manoeuvres In The Dark“ neu definiert. Und wie selbstverständlich passt das Album perfekt zu den Meilensteinen „OMITD“, „Architecture and Morality“ und „The Punishment of Luxury“.

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