Cambridge Analytica: Der Persönlichkeitstest auf Facebook

Cambridge Analytica sagt über sich selbst, sie arbeiten mit Big Data, betreiben Micro-Targeting aufgrund des Verhaltens, unterstützen politische Kampagnen und leisten digitale Unterstützung. Das Unternehmen wurde weltbekannt durch einen gigantischen Datenskandal, der eigentlich noch viel größere Probleme offenbart. Mancher erhofft sich nun eine Verbesserung wegen der bevorstehenden Datenschutz-Grundverordnung. Ich aber wäre weniger optimistisch. Cambridge Analytica hat unfassbare Datenmengen über Persönlichkeitstests auf Facebook eingesammelt. Und das stimmt besorgt.

Ist Cambridge Analytica die eigentliche Gefahr?

Unzählige Nutzer sind bei Facebook angemeldet. Viele nutzen das Netzwerk täglich, viele sporadisch, mancher fast gar nicht. Es ist allgemein bekannt, welche große Macht soziale Netzwerke im Allgemeinen haben. Deshalb ist es klar, dass Facebook als größtes soziale Netzwerk eine besonders große Macht hat. Warum sollte man sie nicht nutzen? Um das möglichst effizient zu tun, muss man die Nutzer kennen. Das ist das Geschäft von Cambridge Anlytica. Das Unternehmen analysiert große Bevölkerungsgruppen anhand demografischer, religiöser, politischer und anderer Fakten. Aber wie kommt das Unternehmen an diese?

Persönlichkeitstests von nametests.com stehen im Verdacht, missbraucht worden zu sein, um Daten auszuspionieren - Screenshot
Persönlichkeitstests von nametests.com stehen im Verdacht, missbraucht worden zu sein, um Daten auszuspionieren – Screenshot

Kennen Sie auf Facebook Persönlichkeitstest? Das sind diese „Sag mir, wer deine Freunde sind, dann sag ich dir die Zukunft voraus“-Dinge. Mir werden immer wieder solche Postings bei Facebook präsentiert. Mitgemacht habe ich bei keinem. Diese Persönlichkeitstests kommen unter anderem über einen Account und eine Domain namens nametests.com. Und hier wäre ich vorsichtig. Denn hier steht keine Kontaktinformation zum Inhaber. Mal zum Vergleich: Hier sind die Informationen zu meiner Webseite. Jedenfalls werden über solche Persönlichkeitstests Daten ermittelt, und zwar, wie man es sich nicht vorstellen kann.

Das hat Cambridge Analytica ausgenutzt. Aber sind sie die eigentliche Gefahr? Ist es nicht vielmehr Facebook selbst, das es einfach nicht sein lassen kann, seine Nutzer bis in den Intimbereich zu verfolgen? Und ist es nicht Facebook selbst, das solche Apps wie die von nametests.com zulässt? Ist Facebook nicht das eigentliche Schnüffel-Programm? Wie geht es nun weiter mit Facebook? Im Prinzip sollte man sich ernsthaft überlegen, seinen Account bei Facebook zu löschen. Wie das geht, steht in dieser 7-seitigen Anleitung. Cambridge Analytica ist der Nutznießer der enormen Gefahr, die von Facebook ausgeht. Das müssen wir uns klar machen.

Keine Analyse entscheidet Wahlen

Man geht im Moment hin und behauptet allerlei Dinge. So soll Cambridge Analytica von Steve Bannon gegründet worden sein. Das ist aber nicht richtig. Das Unternehmen wurde von seiner eigenen Mutter-Organisation, der britischen SCL Group, gegründet. Zum Teil arbeiten auch in beiden Unternehmen die gleichen Mitarbeiter. Und sie machen alle das Gleiche: Sie nutzen Big Data (also unvorstellbar große Datenmengen), um so große Bevölkerungsgruppen zu analysieren. Der Rechtspopulist Steve Bannon saß zeitweilig im Aufsichtsrat, bevor er Chefstratege von Donald Trump wurde.

Es ist zwar unwahrscheinlich, dass ausschließlich die gigantische Datenanalyse von Cambridge Analytica die US-Präsidentschaftswahl für Trump entschieden hatte. Aber einen großen Anteil hatte sie. Denn über die oben genannten Persönlichkeitstests, über Likes, über das Teilen von Inhalten, über die Freundeslisten, Interessen, eigene Beiträge bei Facebook konnte das Unternehmen Persönlichkeitsprofile erstellen. Cambridge Analytica nutzte die Facebook-App „thisisyourdigitallife“, auf die 270000 Facebook-Nutzer hereinfielen, die jeweils um die 150 Kontakte haben. So kommen 50 Millionen Nutzer-Datensätze dann halt zustande.

Mit diesen Datensätzen wurden punktgenaue Werbebotschaften ausgesendet. Mal „pro Trump“, mal „contra Clinton“. Meistens höchst schwammig, damit nichts auffällt. Das Ganze ist dann das Micro-Targeting, wovon man derzeit oft hört. Unzählige kleinste Zielgruppen konnten so erschlossen werden. Das Ganze fand auch zur Bundestagswahl 2017 statt. Allein Union und SPD gaben dafür mehr als 20 Millionen Euro aus. Damit kann man den Wählerwillen beeinflussen, und das ist auch geschehen. Cambridge Analytica hatte die US-Präsidentschaftswahl nicht gewonnen, durch sie wurde aber der Wählerwille beeinflusst.

Was macht nun Facebook daraus?

Facebook trifft das Ganze sehr hart. Und ich finde, zu Recht. Seit Bekanntwerden am Wochenende verlor die Aktie mehr als 10% an Wert. Und Aktionäre wollen das Unternehmen verklagen. Ich meine, was ist das denn auch für eine Art? Am Wochenende wurde der Facebook-Account von Cambridge Analytica blockiert, nachdem das Desaster bekannt wurde. Und auch nur, weil die gesammelten Daten nicht gemäß einer Absprache gelöscht wurden. Also gab es eine Absprache, dass das Unternehmen die Daten überhaupt sammeln darf. Damit wurden etliche Millionen Nutzer einfach mal getäuscht.

Seit Bekanntwerden des Datenskandals mit Cambridge Analytica ist die Facebook-Akte im freien Fall
Seit Bekanntwerden des Datenskandals mit Cambridge Analytica ist die Facebook-Akte im freien Fall

Facebook hätte Aktionären mitteilen müssen, dass es Dritten Zugriff auf fremde Daten ohne Zustimmung der Nutzer gewährt hatte. Dadurch haben Aktionäre enorme Verluste erlitten. Um die 50 Milliarden US-Dollar an Börsenwert hat Facebook seit Montag verloren. Facebook sieht sich selbst als Opfer. Aber da bin ich mir alles andere als sicher. Es ist ja allgemein bekannt, dass Facebook nicht einen müden Pfifferling auf Datenschutz gibt. Das soziale Netzwerk hat gigantische Datenmacht. Und warum soll es diese Macht nicht nutzen?

Die Frage ist ja zudem, wie viel Datenmacht akzeptabel ist. Des Weiteren muss man fragen, wie digitale Geschäftsmodelle gestaltet werden und dem Datenmissbrauch vorgebeugt werden kann. Das Alles interessiert Facebook aber nicht. Das einzige, was interessant ist, ist die Frage, wie Facebook noch mehr Gewinn erzielen kann und wie das Netzwerk seine Nutzer noch besser im Griff hat. Deshalb muss man sich als Nutzer ernsthaft fragen, ob man sich nicht eventuell doch von Facebook verabschiedet.

Ist die Datenschutz-Grundverordnung die Erlösung?

Fragen Sie sich lieber nicht, was Cambridge Analytica und Facebook mit Ihren Daten schon anfangen wollen. Und sparen Sie sich den Satz, dass Sie nichts zu verbergen haben. Datenschutz ist ein hohes Gut. Es gehört sich einfach nicht, dass Dritte ungebremst Zugriff auf Ihre Daten haben. Noch dazu über solche kriminellen Hintertüren. Das ist Täuschung oberster Güte. Bisher hüllt sich Gründer Mark Zuckerberg in Schweigen. Wenn das so weitergeht, muss er sich nie wieder dazu äußern, was da alles passiert ist.

Wir hoffen jetzt alle auf die bevorstehende Datenschutz-Grundverordnung, die ab 25. Mai vollständig wirksam wird. Es mag sein, dass das Ganze Fortschritte bringt. Es ist aber zudem wichtig, dass rechtliche Grenzen bestehen und deren Einhaltung garantiert wird. Denn mit dem oben erwähnten Micro-Targeting lassen sich auch Kampagnen zur Diskriminierung fahren. Und wenn wir mal ehrlich sind: Jeder ist in irgendeiner Weise eine Minderheit, und niemand will diskriminiert werden. Allerdings gehe ich davon aus, dass das Facebook einfach alles nicht interessiert.

Das ist auch erst einmal nachvollziehbar. Denn der blaue Riese ist nun einmal der Hausherr auf Facebook. Und wenn in der Hausordnung (also in den AGB) steht, dass der Nutzer der Verarbeitung seiner Daten zustimmt, dann kann das Facebook prinzipiell auch tun. Wie man sich dagegen wehren kann? Indem man sich bei Facebook gar nicht erst registriert oder eben seinen Account dort dauerhaft löscht. Aber glauben Sie nicht, dass andere anders sind. Deshalb hoffe ich darauf, dass die Datenschutz-Grundverordnung den Anbietern endlich mal die Grenzen aufzeigt. Denn es ist Zeit.

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