Stories, keine Märchen: Erzählt doch mal was

Was sind Stories? In den Unternehmen wird das Ding mit dem Storytelling immer interessanter und wichtiger. Aber wie ist das denn eigentlich bei uns Bloggern? Können wir Geschichten erzählen, Stories bringen, die Leser mitnehmen? Ich denke schon, dass das so ist. Nicht umsonst werde ich ja nicht müde zu betonen, dass es schade um jede Geschichte ist, die nicht erzählt wird.

Ich gehe seit längerem mit dem Thema Stories und generell dem Storytelling schwanger. Und ich möchte einfach mal meine Gedanken dazu aufschreiben. Wohin mich diese Reise führt, ist unklar. Aber ist es nicht genau das, was eine Geschichte ausmacht? Und am Ende gilt doch, dass man dabei eben keine Märchen erzählt. Schauen wir mal, wohin uns das gemeinsam bringt.

Was sind Stories?

Nun steht ja Weihnachten vor der Tür. Erinnert ihr euch noch an die eine Weihnachtswerbung eines großen deutschen Supermarkt-Konzerns, in der ein alter Mann seinen eigenen Tod vorgetäuscht hatte, um seine Familie an Weihnachten endlich mal wieder um sich zu haben? Sowas sind Stories. Genau wie der mehrteilige Werbespot eines deutschen Autoherstellers, in dem es in mehreren Teilen um die Frage ging, wo der verdammte Tankdeckel ist.

Die Menschen haben sich die Welt immer über Stories – also Geschichten – erklärt. Es ging nicht nur darum, dass irgendein Sachverhalt geschildert wurde (Helmut Markworts „Fakten, Fakten, Fakten…“), sondern es ging auch um die Art und Weise, wie das geschah (Helmut Markworts „…und an die Leser denken!“). Es geht nicht immer um eine wissenschaftliche Abhandlung, sondern auch um Spannung und Emotionen.

Stories gab es immer. Die kann man natürlich immer in irgendeine Richtung übertreiben. Mal werden es Märchen, mal ein Schwank, mal eine Verschwörungstheorie und all das. Klar ist aber, dass es eine Wechselwirkung zwischen den Fakten („Das und das ist passiert“) und den Emotionen (Drama, Angst, Schmerz, „Doch dann…“) geben muss.

Wie ist meine Geschichte?

Ich wurde 1973 in Leipzig geboren, ging zwischen 1980 und 1990 zur Schule, erlernte den Industriemechaniker Betriebstechnik, ging zur Armee, rutschte in eine Drückerkolonne, musste aus gesundheitlichen Gründen zum Fachinformatiker umschulen, arbeite im Support, bin Vater und verheiratet.

Das ist die reine Faktenlage.

Ja, nun, das sind eben ein paar Fakten über mich. Aber wie ist denn die Sache mit den Stories? Wer ist der Typ, der sich diesen ganzen Kram hier ausschwitzt? Das ist es doch, was die Leute interessiert. Gerade bei persönlichen Blogs, die mutmaßlich kein Oberthema haben. Also ganz wie in meinem Fall. Welche Stories gibt es also über mich?

Wie ist meine Geschichte nun genau?

Ich wurde am letzten Tag der Waage im Oktober 1973 geboren. Meine Kindheit war gut und fröhlich. 1980 kam ich mit einigem Trara in die Schule. Immer mit dabei war Oma. Die hatte mich auch sonst überall hingeschleppt. Was war ich traurig, als sie kurz vor Weihnachten 1982 starb!

Die Schulzeit war dann geprägt von der Auseinandersetzung mit den Lehrern. Ich habe es denen nicht leicht gemacht, sodass ich auch strafversetzt wurde. Es folgten Schuldisco, Ferienlager, Fußball und Radtouren. Und in den Ferien ging es zur anderen Oma nach Thüringen und zur Schwärmerei für einen Sommer. Aber ich eckte eben immer wieder an.

Meine Lehre als besserer Alt-Chemiewerk-Auseinander-Bauer schloss ich so mittel ab, denn ich wollte ja etwas erschaffen und nicht kaputt machen. Und es gab die eine oder andere Liebelei. Dann ging es zum Bund. Beim Beladen von Lkws verletzte ich mich am Knie. War das niederschmetternd, als ich erfuhr, dass ein paar Dinge in den Knien kaputt seien.

Aber ich machte dann trotzdem meine Malocherei auf den Baustellen. Ich habe nie geklagt. Auch nicht, als ich stinkenden Recycling-Müll sortiert oder als Kofferträger auf dem Bahnhof gearbeitet hatte. Bis die Knie gar nicht mehr wollten. Ich dachte, für mich geht die Welt unter. Selbstzweifel und Zukunftsangst bestimmten mein Leben.

Privat lief natürlich auch nicht immer alles rund. Und dazu noch die Sache mit der Gesundheit. Ich schulte um zum Fachinformatiker und machte meinen Job im Call Center. Meine Tochter wurde geboren, was bis heute eine meiner besten Produktionen ist. Aber diese Arbeit ging mir so sehr auf die Nerven, dass ich nur noch weg wollte.

Seit 2010 bin ich nun an meinem jetzigen Arbeitsplatz. 2014 kam es zur Trennung von der Mutter meiner Tochter. Und ein paar Monate später lernte ich meine jetzige Frau kennen. Und plötzlich machte alles wieder Sinn. Ich habe nie versucht, die Welt zu verändern. Aber ich wollte immer zeigen, dass nicht alle Menschen Arschlöcher sind.

Nicht nachtreten!

An meiner Geschichte, die ich noch viel mehr ausschmücken könnte, seht ihr, dass das Leben nie einfach ist. Ich bin ein Mensch, der vieles aus emotionalem Antrieb heraus macht. Aber mir lag noch nie viel daran, beim Erzählen von Stories Märchen zu erzählen oder nachzutreten. Letzteres halte ich für dumm. Man muss es auch manchmal gut sein lassen.

So gehört es eben nicht ins Internet, noch lebende Menschen mit Dreck zu bewerfen. Denn ganz ehrlich, das könnte sich rächen. Ich bin immer vorsichtig, was so etwas betrifft. Und deshalb muss ich auch bei anderen Dingen das Maß bewahren. Natürlich ist meine Frau für mich unfassbar wichtig, sonst hätte ich sie nicht geheiratet. Aber hier muss ich dennoch auf die Bremse treten.

Wenn man mit Stories hantiert, will man immer zeigen, woher man kommt und wohin es geht. Wie der deutsche Autobauer, der in der Werbung erzählt, wie sein erstes Auto vor über 100 Jahren aussah, welchen Spaß seine Autos in der Vergangenheit brachten und wie er nun mit einem coolen E-Auto um die Ecke kommt und genau da weitermacht wie bisher.

Meine Geschichte ist nichts anderes als das: Ich hatte ein wechselvolles Leben, so wie es viele gebrochene Biografien im Osten gab. Oft musste ich mich neu erfinden und wieder von vorn anfangen. Und genau das macht sich bis heute bei meinem Blog bemerkbar. Es gibt keinen vorgezeichneten Weg, kein Oberthema, keinen roten Faden.

Aber bitte keine Märchen

Ja, ich schieße mit manchem Thema über das Ziel hinaus. Das ist nun mal so, wenn man sich in ein Thema hinein denkt und im Tunnel ist. Das war mit Mobil-Geräten so, mit der Thematik rund um Flüchtlinge und zur Umwelt aber auch. Aber ich habe eben immer von Stories erzählt, die zu dem jeweiligen Zeitpunkt für mich wahrhaftig waren.

Das ist es, was ich mir immer bewahren wollte. Und das ist eben auch das, was im Storytelling der oberste Grundsatz ist. Gute Stories will bis heute immer noch jeder Mensch hören. Aber sie müssen nach wie vor einen hohen Wahrheitsgehalt haben. So wie im Film, in dem der Angeklagte erzählt: „Ich will Ihnen mal eine Geschichte erzählen“ – Und dann kommt er damit um die Ecke, wie es zu der Tat überhaupt gekommen ist.

Na klar, beim Bloggen reicht eigentlich auch die „Über mich“-Seite aus. Denkt man. Oder ist das der falsche Platz? Und wie sieht das bei Unternehmen aus? Welche Geschichten haben diese denn? Es geht doch darum, bei Stories eine gewisse Fantasie bei Lesern, Kunden und Co. zu erzeugen. Ohne dem wird das nichts.

Dann nämlich werden die Blog-Artikel nicht gelesen, werden die Pressemitteilungen nicht wahr genommen. Habt ihr schon mal davon gehört, dass ein Unternehmen spannend ist? Das schafft die Firma dann nicht durch reine Fakten, sondern eben auch durch die Stories dahinter. Und so ist das eben auch bei Blogs. Nur müssen sie der Wahrheit entsprechen.

Erzählt eure Stories!

Nochmal wie oben: Es ist schade um jede Geschichte, die nicht erzählt wird. „Gehe erstmal meinen Weg, bevor du dich über ausgelatschte Schuhe aufregst“ sagt so ziemlich nichts aus. Was ist denn „der Weg“? Darum erzählt eure Stories! Denkt niemals, dass das eh niemanden interessiert! Ihr könntet euch irren.

Vor allem dann, wenn es darum geht, wieso euer Blog genau so ist, wie er ist. Ich musste mich mein ganzes Leben lang neu erfinden. Also erfindet sich mein Blog auch immer wieder neu. So ist das Leben. Glaubt bloß nicht, dass das keine Rolle spielt. Ich habe mal erzählt, dass ich mich thematisch nicht einengen will. Aber das hat eben nur damit zu tun, weil mein Kompass immer wieder neu ausschlagen musste.

Stories brauchen Charaktere und einen größeren Zusammenhang. Ich hoffe, den konnte ich schildern. Vielleicht wäre es kürzer gegangen. Und habe ich denn ein Ziel, was ich verfolgen wollte, wie es eben für das Storytelling empfohlen wird? Ja, denn meine Devise ist:

Dein Leben definiert dein Handeln. Morgens mit dem richtigen Bein aufzustehen, gibt die Richtung für den Tag vor.

Wie ist das eigentlich mit euch? Erzählt ihr eure Stories? Ist das bei euch auch so, dass eure bisherige Biografie auch auf das Bloggen und auf eure Arbeit und euer Leben abfärbt? Lasst es mich mal in den Kommentaren wissen.

2 Replies to “Stories, keine Märchen: Erzählt doch mal was”

  1. „Aber ich machte dann trotzdem meine Malocherei auf den Baustellen…..Bis die Knie gar nicht mehr wollten. “

    Warum? DAS wäre doch eine Geschichte! Was wäre so schlimm daran gewesen, sich wg. Knie als körperlich arbeitsunfähig mal ins soziale Netz fallen zu lassen? Gleich umzuschulen bzw. nach Alternativen zu suchen?

    „Ich habe nie geklagt. “ Ja warum denn nicht? Du hattest doch allen Grund! Weil „ein Mann sowas nicht macht“? Auch DAS wäre eine Story: Wie / warum ich so hart zu mir selbst geworden bin.

    „Ich habe nie versucht, die Welt zu verändern. “ Warum eigentlich nicht? Es muss ja nicht immer die ganz große Sache sein… :-)

    1. Hallo Claudia,

      wenn ich DAS alles auseinander genommen hätte, wäre der Artikel um die 80000 Worte lang geworden. Aber du hast Recht, ich könnte hier und da vielleicht noch einen Link ergänzen, hab ich ja jetzt auch.

      Du wirst lachen, ich bin ins soziale Netz gefallen. So sehr, dass uns damals empfohlen wurde, die frisch geborene Tochter in Zeitungspapier zu wickeln und uns das Geld für Windeln zu sparen. „Gleich umschulen“ klappte halt nicht. So gern ich das auch gewollt hätte.

      Ja, auch mit dem Hinweis, warum ich nicht geklagt habe, hast du Recht. Aber das würde zu weit führen, DAS in den Artikel einzubauen.

      Warum ich nicht versucht habe, die Welt zu ändern? Genau das steht im Artikel, wenn man mal darüber nachdenkt. Denn ich wollte eigentlich nur zeigen, dass nicht alle Arschlöcher sind. Genau das ist ja keine große Sache. Aber das ist dann eben auch ehrlich.

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