Wenn Populisten regieren, kommt meistens nichts gutes dabei heraus. Das sollten wir uns auch zur Landtagswahl in Sachsen vor Augen führen. Wer in die USA, nach Italien, nach Österreich oder Ungarn schaut, der bekommt eine grobe Ahnung davon, was passiert, wenn man dem Populismus Macht gibt. Das darf in Sachsen einfach nicht passieren.
Wer tritt zur Landtagswahl in Sachsen an?
Im Freistaat gibt es unfassbare Veränderungen. Seit der Wende 1989 immer wieder, wie ich mal schrieb. Nun könnte es theoretisch passieren, dass es wegen der Veränderungen im konservativen Bundesland auch zu politischen Veränderungen kommt. Es ist sogar ziemlich sicher. Die Frage ist: In welche Richtung. Folgende Parteien treten zur Landtagswahl in Sachsen an:
- CDU – Michael Kretschmer – Nach der unsäglichen Amtszeit von Stanislaw Tillich galt die schwarze Partei als chancenlos. Das hat sich aber verändert.
- SPD – Martin Dulig – Die SPD hatte es immer schwer in Sachsen. Das dürfte sich noch verschlimmern, was ich bedaure.
- DIE LINKE – Rico Gebhardt – 30 Jahre lang galt die Partei als Ossi-Kümmerer-Partei. Nun hat sie aufgrund der AFD ein Glaubwürdigkeitsproblem.
- AFD – Jörg Urban – Keine Konzepte, keine Lösungen, aber das Aushängeschild der neuen konservativen Ossi-Kümmerer-Partei.
- NPD – Peter Schreiber – Nationalismus, keine Pointe.
- FDP – Holger Zastrow – Niemand weiß so recht, wofür die Liberalen in Sachsen stehen. Für das Ernstnehmen der Fragen der Bevölkerung wahrscheinlich nicht.
- GRÜNE – Katja Meier / Wolfram Günther – Grüne Politik, ja. Die wollen sie auch der Lausitz mit der Kohle aufdrücken, ohne einen „Plan B“ zu haben.
- Freie Wähler – Cathleen Martin – Die Partei gilt in Sachsen als „gemäßigte AFD“, was aber aufgrund von Lösungsvorschlägen nicht stimmt.
- Tierschutzpartei – Jürgen Wunderlich – Der Name ist Programm, Ende der Geschichte.
- Piraten – Knut Michael – Wie, die gibt’s noch? Ja, so habe ich auch geguckt.
- Die PARTEI – Tom Rodig – Inzwischen mehr als eine Spaßpartei, die auch den Menschen zuhört.
- BüSo – Michael Gründler – Chancenlose Demokratie-Bewegung aus dem rechten Spektrum.
- ADPM – Egbert Ermer – Rechtsnationalistische Splittergruppe mit obskuren Inhalten.
- Blaue – Frauke Petry – Ja, und jetzt weiß ich auch nicht.
- KPD – Torsten Reichelt – Auch diese Vereinigung gibt es noch, ganz linksaußen zu sehen.
- ÖDP – Sebastian Högen – Ökologie und Demokratie, klingt nach GRÜNEN, soll aber anders sein.
- Die Humanisten – Dominic Ressel – Dazu habe ich keine Meinung.
- Partei der Vernunft – Thomas Flach – Dazu habe ich keine Meinung.
- Gesundheitsforschung – Andreas Kabus – Dazu habe ich keine Meinung.
Viel Auswahl, wenig Programm
Zur Landtagswahl in Sachsen treten allerhand Parteien an. Abseits der Regierungsparteien CDU und SPD hört man nicht viel Abwechslung. Auf der linken Seite wird von „sozialer Gerechtigkeit“ erzählt, auf der rechten Seite von „Trau dich, Sachsen“. Außer CDU, LINKE, SPD, AfD, Grüne, Freie Wähler und vielleicht FDP wird es wohl keine weitere Partei in den Landtag schaffen.
Der Freistaat hat freilich das Problem, dass es hier etablierten Nationalismus gibt. Nicht in Leipzig, wo sich die Insel der Glückseligkeit befindet. Deshalb hört man ja auch als Leipziger von anderen aus der Stadt, dass „die in Dresden“ irgendwie seltsam sind. Über Chemnitz amüsiert man sich gern, wenn diese Stadt sich als „Stadt der Moderne“ gibt. Und über die Landkreise schweigen wir.
Sachsen ist tief gespalten. Wir haben uns lange Zeit wohlgefühlt mit unserer konservativen Grundhaltung. Wir wollten halt immer anders sein als „das rote Berlin“. Ein Schelm, der dabei nicht an die Serie „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ denkt. Und dann kam 2008 Stanislaw Tillich aus Neudörfel in die Staatskanzlei.
Der war dann wie eine Art Sonnenkönig. Selbst der erste sächsische „Landesvater“ Kurt Biedenkopf nannte den Sorben durchaus selbstgefällig und eitel. Waren bis zur Mitte von Tillichs Amtszeit Rechtsradikale zwar vorhanden, so spielten sie politisch aber nur eine kleine Rolle. Tillich hat in Sachsen die Rechten stark und die CDU klein gemacht, niemand sonst.
Vom Vorzeige-Bundesland zum Failed State?
Ich unterstelle nach wie vor vielen Menschen, die sich gar so kritisch über Sachsen auslassen, noch nie einen Fuß in das Bundesland gesetzt zu haben. Aber aus so einer Position heraus lässt sich sehr leicht davon erzählen, dass der Freistaat an Elbe und Elster ein „Failed State“, also ein gescheiterter Staat, der seine Grundfunktionen nicht mehr erfüllen kann, sei.
Und hier kam Michael Kretschmer dann aus der Deckung. Klar, das Tillich-Erbe wiegt schwer. Und vielleicht hänge ich das auch zu hoch. Aber in anderen Bundesländern lässt sich schnell über Sachsen schimpfen. Kretschmer aber versucht es wenigstens, dass das Bundesland nicht komplett kippt. Und vielleicht ist er der einzige Politiker auf Landesebene, dem man das sogar abkauft.
Sachsen wurde in den Jahren nach der Wende und der „feindlichen Übernahme“ durch die „Altlasten-Länder“ immer in den Himmel gehoben. Ein Musterschüler, ein Vorzeige-Bundesland. Wie konnte es nur so schlimm werden? Es waren die Leuchtturm-Projekte, es waren die vergessenen Landstriche, das nicht stattgefundene Zuhören.
Vieles wurde versäumt. Man hatte es auch versäumt, die „Skinheads Sächsische Schweiz“ beizeiten einzufangen. Und die Ausschreitungen in Leipzig hat man auch zugelassen. Nicht, dass es die woanders nicht gegeben hat. Aber in Sachsen hatte es eine Art Manifestierung gegeben. Diese will man seit der Bundestagswahl 2017 aufbrechen. Es ist dafür aber ein wenig spät.
Das Pech von Martin Dulig
Der Vogtländer Dulig ist einer von den Guten innerhalb der SPD. Und ich gehe davon aus, dass seine Partei auch außerhalb Leipzigs ganz passable Ergebnisse in Sachsen erzielt hätte, wenn die Bundes-Partei nicht so ein desaströses Bild abgeben würde. Momentan bangt man hier im Land um den Einzug der SPD in den Landtag. Ist das nicht schlimm?
Der Diplompädagoge hat meiner Meinung nach ganz gute Ansichten. Als Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr ist er stellvertretender Ministerpräsident. Er kam zu dem Posten, nachdem Sven Morlok (FDP) aus dem Amt schied. Dieser soll maßgeblich den Niedriglohnsektor in Sachsen ausgebaut haben. Inwieweit das stimmt, weiß ich nicht genau.
Insofern hat aber Martin Dulig zwei Probleme: Das bundespolitische Desaster seiner Partei und die Art und Weise, wie vor seiner Zeit Wirtschaftspolitik in Sachsen gemacht wurde. Und so hat der sympathische Sozialdemokrat einfach Pech. Die 7%, die derzeit prognostiziert werden, werden ihm nicht gerecht. Ändern wird er es allerdings wohl nicht mehr können.
Holger Zastrow – Oder: Wofür steht die FDP?
Ich schrieb in der Vergangenheit immer wieder davon, dass ich zutiefst liberal erzogen wurde. Aber ganz ehrlich: In Sachsen weiß kein Mensch so genau, wofür die FDP eigentlich steht. Das liegt auch an ihrem Vorsitzenden. Holger Zastrow steht den Populisten näher als dem eigentlichen Liberalismus, den die FDP vertreten sollte.
Auf Wahlkampfplakaten ist er grinsend mit Schaufel zu sehen, und man kann „Einfach machen!“ lesen. Aber was? Liberalismus richtet sich gegen Staatsgläubigkeit, Willkür und Missbrauch von Macht und Herrschaft. Was aber Zastrow bisweilen von sich gibt, erinnert ein klein wenig zu sehr an reinsten Populismus. Schade eigentlich.
Denn eigentlich braucht es einen starken Liberalismus. Gerade in den Zeiten, in denen Populisten die freiheitliche Grundordnung einschränken bis abschaffen wollen. Allerdings ist das mit eben jener sächsischen FDP schwer vorstellbar. Man weiß halt nicht, wofür sie steht. Und so braucht man sie auch nicht.
Rico Gebhardt: Ein Koch in der Landespolitik
Mir gefällt eigentlich immer, wenn jemand eine Biografie hat. So, wie Michael Kretschmer Büroinformationselektroniker und Diplom-Wirtschaftsingenieur ist, so ist Rico Gebhardt von der Partei DIE LINKE eben Koch. Gebhardt ist Innenpolitiker. Er sollte wissen, wie Sachsen tickt. Aber den sukzessiven Verfall der Zustimmung kann auch er nicht verhindern.
Die Partei gilt im Osten immernoch als eine Art Kümmerer-Partei. Aber von ihrem sächsischen Alltzeithoch ist sie weit entfernt. Weil sie zu wenig Aufmerksamkeit bekommt? Nach aktuellen Umfragen würde die Partei bei der Landtagswahl in Sachsen nur noch 14% bekommen, statt der 24% vor 15 Jahren.
Vielleicht liegt es daran, weil die Partei weniger junge Wähler anzieht. Vielleicht ist das Mantra der sozialen Gerechtigkeit einfach mal zu schwammig. Aber vielleicht – und das halte ich für wahrscheinlich – nimmt ihr die AFD den Job der Kümmerer ab, nachdem es die Linke nicht geschafft hatte, sich ernsthaft zu kümmern.
Die Grünen: Fridays for Future – Ja, aber
Na klar, Umwelt geht uns alle an. Ich habe oft genug auch hier im Blog darüber geschrieben. Für Katja Meier (Verkehrspolitik, Rechtspolitik, Gleichstellung und Demokratie) und Wolfram Günther (Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft sowie Bauen) ist Sachsen dennoch ein schwieriges Pflaster. Eine Politikwissenschaftlerin und ein Kunsthistoriker.
Die sollen der Lausitz und dem Leipziger Südraum erklären, wie ein Leben ohne Braunkohle möglich ist. Soweit ich mitbekommen habe, gelingt ihnen das nur eher mittelgut. Denn es fehlen die Alternativen, nachdem erneuerbare Energie nicht wirklich Fuß fassen konnte. Das hat auch bundespolitische Gründe, nachdem in Berlin Förderungen reduziert wurden.
Einfach so Fahrverbote und die Abschaffung der Kohle-Verstromung zu fordern, kann man in den Regionen eben niemandem erzählen, wenn keine sinnvolle Alternative vorhanden ist. Insofern ist es zwar gut und richtig, für Umweltschutz einzustehen. Wenn aber niemandem klar ist, wie der bewerkstelligt werden kann und die Familien ein Einkommen haben, ist das schwierig.
Zudem gelten die Grünen vielerorts als streitbare Gesellen, die wenig kompromissbereit sind. Fast religiös sollen sie sich in Konflikte werfen. Auch das Streitthema Zuwanderung wird von ihnen ohne Rücksicht auf Verluste verfolgt. Es sind hehre Ziele, aber ohne Kompromisse bleibt das alles ein unwägbares Unterfangen.
Jörg Urban und die AFD: Trau dich, Sachsen
Der Wasserbauingenieur Jörg Urban aus Meißen wird als „völkisch-nationalistisch“ eingeschätzt. Er gehört dem „Flügel“ der AFD von Björn Höcke an. Er wird zitiert, dass er Sachsen zum Polizeistaat machen will, behauptet über Zuwanderer, dass sie eine latente Gefahr darstellen und findet den Klimawandel gar nicht so schlimm.
Er tritt für die Abschaffung von politischer Bildung in Schulen („Gesinnungsunterricht“) ein. Die derzeitige Politik bezeichnet er als „Regime“, das „mit Hilfe der vernünftig denkenden Menschen“ zum Einsturz gebracht werden soll. Er solidarisiert sich mit Hooligans und militanten, rechtsradikalen Gruppierungen. Und so jemand soll Ministerpräsident werden?
Auf Wahlplakaten kommt die AFD mit „Trau dich, Sachsen“ um die Ecke. Bei der Landtagswahl in Sachsen könnte Urban mit seiner Partei jede vierte Stimme holen. Lösungen hat er nicht zu bieten. Und wie Populisten auf der Welt regieren, zeigen die Beispiele Italien, Österreich, Ungarn und auch die USA. Wollen wir das?
Schicksalswahl in Sachsen
Bei der Landtagswahl in Sachsen steht viel auf dem Spiel. Wird das Bundesland zur No-Go-Area, wie es die Hipster aus anderen Ecken Deutschlands immer wieder behaupten? Können wir im Freistaat den Zusammenhalt der Gesellschaft wieder hinbekommen? Schaffen wir es, Sachsen in die Zukunft zu hieven?
Konservative Politik muss nicht immer schlechtes bedeuten. Gleichwohl muss auch progressive Politik nicht zu einem kompletten Umsturz führen. Es ist wichtig, die gesamte Bevölkerung mitzunehmen. Und hier traue ich nicht vielen zu, diese Aufgaben zu bewältigen. Am wenigsten allerdings den Populisten rund um Jörg Urban.
Mit viel Gerede hat man noch nie irgendeine Tätigkeit begonnen. Soweit mir bekannt ist, nahm die AFD an echter parlamentarischer Arbeit viel zu wenig Teil, als dass man von einer nützlichen Kraft reden könnte. Es wäre vermessen, jedem bei der AFD Fundamental-Opposition zu unterstellen. Aber es ist zu wenig, als dass sie ein Hoffnungsträger sein kann.
Die Spaltung der Gesellschaft muss überwunden werden. Nach der Landtagswahl in Sachsen stehen Mammut-Aufgaben an. Die schafft man nicht, indem man verbal zündelt. Populisten werden es nicht schaffen, die Musterschüler-Historie seit der Wende hier im Bundesland wieder zu bekommen. Denn dazu braucht man Lösungen und keine wilden Sprüche.
Aber was weiß ich denn schon? Es steht mir nicht zu, irgendwem zu erzählen, wen man zu wählen hat. Es ist nur so, dass es niemandem weiterhelfen wird, Populisten die Türen zu öffnen. Die sind eh schon viel zu weit offen. Mit Sprüchen kommt man hier nicht weiter. Man braucht Taten. Und die vollbringt man nicht mit Populismus.
So, nun mal Butter bei die Fische! ;-)
WAS für eine Ahnung bekommt man, wenn man nach Ungarn schaut?
Also mein Cousin hat Familie in Ungarn. Das Sozialsystem dort lässt schon zu Wünschen übrig. Die Pressefreiheit auch. Ebenso wie so viele andere Dinge. Deshalb arbeitet er als dunkelhäutiger Mann in der Schweiz.
Ich lebe jetzt seit sieben Jahren hier und habe überwiegend Kontakt zu Einheimischen. Meine Frau hat die ungarische neben der deutschen Staatsangehörigkeit. Was so als „Wissen“ in Deutschland über Sozial-, und Gesundheitssystem oder die Pressefreiheit kursiert ist Ausfluss der Propaganda der deutschen MSM. Das hat mit der Realität nicht viel zu tun und dient, so vermute ich, immer wenn das Geschrei besonders laut wird, der Ablenkung von innerdeutschen Geschehnissen… ist prima, wenn man mit dem Finger auf ein anderes Land zeigen kann. ;-)
Naja, das sind aber Sachen, die mir mein Cousin erzählt hat. Er Deutscher mit dunkler Hautfarbe, seine Frau Ungarin. Klar kenne ich die Meldungen aus den Medien. Aber das war eben abseits davon. Es kommt vielleicht auch darauf an, wo in Ungarn man lebt. Das kann ich freilich nicht beurteilen.
Interessant dazu: Junge Frau, Studentin an einer regierungskritischen Uni hier in Ungarn… https://www.achgut.com/artikel/Von_wegen_Diktatur_mein_ungarn_ist_anders
OK, ich glaube, es liegt daran, wo die Wurzeln sind und wie das Umfeld ist. Was ich halt so weiß, hat sich ja niemand aus den Fingern gesogen. Ich denke, „Mein Ungarn“ beschreibt es ganz genau. Man muss wahrscheinlich doch mehr differenzieren. Vielleicht ist das sogar eine gute Nachricht.