Schrödingers Urheberrecht – Tot oder lebendig?

Viele haben von Schrödingers Katze gehört. Aber was bitte meint denn der Uhle mit Schrödingers Urheberrecht? Wie komme ich überhaupt darauf? Es ist nur ein wilder Gedanke. Und es ist nun einmal so, dass Gedanken Platz brauchen. Den bekommen sie am besten in Blogs. Und schon haben wir die Brücke zu Schrödingers Urheberrecht geschlagen. Denn Blogs werden terrorisiert.

Ist die Katze tot oder nicht?

Der österreichische Physiker Erwin Schrödinger schlug 1935 ein Gedankenexperiment vor. Dabei befinden sich in einem geschlossenen Kasten eine Katze und ein instabiler Atomkern. Innerhalb einer gewissen Zeitspanne strahlt der Atomkern. Die Strahlung wird mit einem Geigerzähler gemessen, der beim Erreichen einer bestimmten Belastung Giftgas freisetzt, das die Katze tötet.

Schrödingers Argument lautete, dass nicht nur der Atomkern, sondern auch die Katze in einen Zustand der Überlagerung geraten müsste. Die Katze sei also sowohl tot, als auch lebendig. Das ändert sich erst, wenn jemand den Kasten öffnet und nachschaut. Das Ganze ist dann als „Schrödingers Katze“ bekannt geworden.

Schrödingers Urheberrecht und die Blogger

Im März haben sie ja das so großartige Urheberrecht für Europa auf den Weg gebracht. Dazu wurde MEP Axel Voss selbst zu Schrödinger und erfand einen Upload Filter, den es gar nicht gibt. Sie kennen diese Diskussionen, ich erzählte darüber hier im Blog. Am Ende ist es doch so, dass die Frage geklärt werden müsste: Gibt es überhaupt Urheberrechtsverletzungen, wenn es gar keine Upload Filter geben soll?

Wie verworren das Ganze ist, hatte Dennis Horn in den WDR-Blog „Digitalistan“ geschrieben. Deshalb kommt man ja direkt bei Schrödingers Urheberrecht heraus. Vielleicht traut man sich ja irgendwann mal, das Ganze zu hinterfragen. Aber man sollte nicht zu lang warten. Denn siehe, was aus Schrödingers Katze wurde. Und: Wer sagt denn, dass der quantenoptische Katzenzustand überhaupt stimmt?

Das nächste Ungemach steht schon ins Haus

Wir können uns noch so sehr über Schrödingers Urheberrecht lustig machen, es ändert nichts daran, dass irgendwelche Paragraphen-Heinis in klimatisierten Kästen in der EU-Kommission hocken und sich neue Absurditäten ausdenken. Man könnte fast annehmen, sie seien die Katze. Man möchte bei ihnen an die Stirn klopfen und fragen: „Hallo, jemand zuhause?“

Es soll eine Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte geben. Soweit, so gut. Die Katze lebt noch. Denn man muss nicht noch die Propaganda von Terror-Milizen weiter verbreiten. Doch plötzlich muss jemand den klimatisierten Kasten geöffnet haben, woran die Katze dann gestorben ist: Anbieter müssen derartige Inhalte innerhalb einer Stunde löschen.

Wie soll das gehen? Ich meine, ich bin berufstätig und betreibe den Blog nebenher, bin aber mit ihm Anbieter. Nehmen wir mal an, bei mir würde jemand kommentieren und vermeintliche terroristische Propaganda verbreiten. Nehmen wir ferner an, dass das von jemanden kommt, der schon lange bei mir kommentiert, also automatisch freigeschaltet wird. Und nehmen wir an, ich hätte zu dem Zeitpunkt beruflichen Stress. Ich wäre dann haftbar.

Und es geht noch weiter: Jedes Land der EU kann so eine Löschung beantragen. Also auch Länder ohne freie Justiz. Ich freue mich schon auf die Suche nach freien Anwälten aus dem Land, da ja juristische Auseinandersetzungen im jeweiligen Land auszufechten sind. Schrödingers Justiz, sozusagen.

Die EU macht das Internet kaputt

Das hat alles etwas mit Schrödingers Urheberrecht zu tun. Einerseits die Upload Filter, andererseits dieses merkwürdige Leistungsschutzrecht mit dem Taxi-Restaurant-Paradoxon und nun die Terrorverdachtslöschung. Wir sind mitten in Absurdistan angekommen. Publizieren kann sich nur noch jemand mit viel Zeit und einer riesigen Armada an Anwälten leisten.

Blogger fallen dabei durch das Raster und werden wohl noch mehr ihre Aktivitäten einschränken. Das liegt daran, weil die EU keine Ahnung hat, was das Bloggen überhaupt ist. Und glauben Sie es ruhig: Selbst dieser Unsinn wird nicht das Ende der Fahnenstange sein. Denn was fehlt, ist eine echte Bestandsaufnahme der Medienlandschaft und die Bewertung von Monopolen und Oligopolen.

Und was passiert nun mit der Katze?

Irgendwann werden sich die im Internet aktiven Teilnehmer fragen, wie es nun weitergeht. Haben die Paragraphen-Heinis in ihren klimatisierten Kästen das Internet kaputt reglementiert, oder kommt das noch? Was passiert mit der Katze? Ist Schrödingers Urheberrecht nun schon tot oder nicht? Fragen über Fragen. Und eine Antwort ist nicht in Sicht.

Man kann eigentlich nur hoffen, dass der Atomkern doch nicht so instabil ist und die Katze deshalb länger lebt als gedacht. Denn eine lebendige Medienlandschaft, bei der Blogs einen enormen Anteil haben, darf nicht daran scheitern, dass man alles reglementieren muss, was einem vor die Paragraphen-Flinte springt.

Terrorismus muss freilich bekämpft werden. Und Urheber gehören geschützt. Das ist alles nicht die Frage. Die Frage ist aber, zu welchem Preis und zu welchen Bedingungen. Und hier glaube ich, dass das Gedankenexperiment von 1935 noch nicht zu Ende ist und noch niemand wieder in den Kasten geschaut hat. Vielleicht hockt da gar keine Katze, sondern ein klimatisierter Paragraphen-Heini?

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